Madeira
Nach einer langen Reise direkt nach der Nachtschicht von Séverine ist es so weit: Wir landen auf dem berühmt berüchtigten Flughafen von Madeira. Schnell sind wir im Mietwagen und unterwegs an die Nordküste. Es dauert nicht lange und wir fahren direkt in eine Polizeikontrolle. Etwas müde aber lächlend zeigen wir unsere Ausweise und werden ohne Probleme in Richtung unseres AirBnB Appartments durchgelassen.
Porto de Sao lourenco und Penha de Aguia
Schon früh am nächsten Morgen steigen wir wieder ins Auto. Unser Ziel ist der östlichste Punkt von Madeira: Die Halbinsel “Ponta de São Lourenço”, unsere erste Wanderung.
Als wir ankommen, beginnt die Dämmerung erst. Wir starten unsere Wanderung trotzdem und innerhalb von wenigen Minuten ist es hell. Der Weg ist nach dem vielen Regen der letzten Tage eher eine Schlammschlacht. Dafür ist jetzt im Winter alles von einer dünnen Schicht Gras überzogen und die Landschaft erstaunlich grün. Noch schöner wird es, als die ersten Sonnenstrahlen übers Meer wandern. Die Klippen fallen spektakulär auf beiden Seiten senkrecht ins Meer. Wir laufen immer weiter auf die Halbinsel hinaus und kommen nach gut einer Stunde auf dem äussersten erreichbaren Punkt an: einem kleinen Gipfel. Wir sehen über die Bucht bis zur Piste des Flughafens von Funchal, auf dem wir gestern Abend gelandet sind und vor uns fährt die Fähre nach Porto Santo vorbei. Die Berge von Madeira verstecken sich noch in den Wolken vor uns. Wir starten unseren Rückweg und es kommen uns Dutzende Wanderer entgegen: diese Wanderung machen täglich Hunderte. Etwas, was sich in den kommenden Tagen immer wieder zeigen wird: Es lohnt sich, in Madeira früh aufzustehen. Dann haben wir nämlich die wunderschönen Plätze in der Natur für uns alleine und sind schon weg, wenn der Ansturm an Langschläfern kommt. Bei der Routenplanung verlassen uns ganz auf unseren Rother Wanderführer, der offenbar eher für ältere Wanderer geschrieben wurde und wir so oftmals gleich mehrere Touren am gleichen Ausgangspunkt aneinanderhängen.
Zurück beim Auto machen wir noch einen weiteren Stopp bei einem Aussichtspunkt auf der Halbinsel, bevor es dann Einkaufen geht. Wir werden uns im Appartment selber bekochen und finden im Supermarkt von Santana alles was wir brauchen. Aber den Nachmittag einfach so auf dem Sofa zu verbringen, wollen wir dann doch nicht. Warum am Nachmittag nicht nochmals eine Tour aus dem Buch machen? Wir ziehen nochmals los und steigen nach gut einer Stunde Aufstieg auf den “Adlerfelsen” (Penha de Aguia). Er ist mit seinen auf allen Seiten senkrecht abfallenden Felswänden ein Wahrzeichen der Nordküste. Zuerst ist kaum vorstellbar, dass es da einen Weg hoch geben soll. Anfangs mit Aussicht aufs Meer, dann über einen bewaldeten Grat geht es auf den Gipfel. Die Berge verstecken sich weiterhin vor uns, wir haben aber Aussicht auf die Dörfer, die an den steilen Berghängen liegen. Wie steil die Strassen da sind wagen wir gar nicht vorzustellen. Schnell sind wir wieder abgestiegen und fallen todmüde und früh ins Bett.
Levada do Caldeirão Verde und Inferno
Wieder früh morgens fahren ganz in der Nähe unseres Apartments in ein enges Tal hinein. Es ist stockdunkel auf der kleinen Waldstrasse, als vor uns plötzlich das riesige, hell erleuchtete Parkschild von Queimadas auftaucht. Irgendwie surreal. Wie parken auf dem leeren Parkplatz und laufen der Levada entlang los: Levadas sind alte Wasserläufe, ähnlich Suonen im Wallis. Oft sind diese spektakulär in den Fels gehauen und haben einen Vorteil beim Wandern: die Strecke ist flach, was den Weg aber nicht weniger abenteuerlich macht. Die Levadas führen oft einem Abhang entlang und haben null Ausweichmöglichkeiten. Es geht durch Wasserfälle, enge Tunnels und durch die wunderschöne Vegetation von Madeira, welche uns an den Regenwald von Costa Rica erinnert. Der Weg ist gut gesichert, nass werden wir trotzdem. Einmal geht es direkt durch einen Wasserfall. Ausweichmöglichkeiten gibt es wie gesagt keine. Für die mehrere hundert Meter langen Tunnels haben wir eine Taschenlampe dabei. Beim Caldeirão Verde machen wir beim riesigen Wasserfall im engen Kessel einen Halt. Kurz darauf stocken wir. Wir wollen weiter in den Caldeiro Inferno, für Séverine sieht der Weg aber gesperrt aus. Einzelne entwurzelte Bäume liegen auf dem Weg und sind mit Absperrband gesichert. Für Aaron kein Grund hirr umzukehren. Wir probieren es einfach und laufen weiter. Die Tunnels werden noch enger und nach einem Aufstieg und mehreren Kehren kommen wir schliesslich ans Ende des Weges: an einem wunderschönen Wasserfall im Talkessel direkt unterhalb der höchsten Berge der Insel hört der Weg auf. Zurück geht es auf dem gleichen Weg. Einige Wanderer kommen uns entgegen, als wir wieder bei der Fragwürdige Stelle ankommen, zeigt sich, dass der Weg in Zwischenzeit ordentlich gesperrt wurde. Upps… schnell durchs Absperrband und weiter Richtung Parkplatz. Im kleinen Café am Eingang geniessen wir nach vier Stunden Wandern unser wohlverdienten Kuchen. Zum Bier geht es zurück ins Apartment.
Am Abend machen wir noch einen Abstecher nach Santana, einem Dorf in der Nähe. Nach dem obligaten Tourifoto bei den traditionellen Strohhäusern lassen wir uns in die traditionelle Küche einführen und geniessen das lokale Knoblauchbrot und Fleischspiesse, welche auf dem Tisch auf einem Art Gestell aufgehängt werden.
Pico Areeiro und Pico Ruivo
Num steht die “Königstour” auf dem Programm: vom dritthöchsten Gipfel der Insel, dem Pico Areeiro (1818m) geht es auf den höchsten Gipfel, den Pico Ruivo (1862m) und wieder zurück. Der erste Gipfel und Ausgangspunkt ist bequem mit dem Auto erreichbar. Noch vor Sonnenaufgang stehen wir an der riesigen Radarkuppel und sind nicht alleine: nach einer Schlechtwetterperiode wollen viele andere das gute Wetter nutzen und den Sonnenaufgang über den Wolken geniessen. Wir laufen noch im Dunkeln los: Der Weg ist gerade auf den ersten Kilometern spektakulär, es geht über einen Grat und mehrere Felsstufen hinunter. Wir sind praktisch alleine unterwegs und geniessen die Morgenstimmung mit Aussichten in die Täler und auf die senkrechten Felswände. Es geht rauf und runter, durch mehrere Tunnel, über Treppen und an einer Berghütte vorbei. Die Berge ziehen uns in ihren Bann. Nach gut zwei Stunden stehen wir auf dem höchsten Gipfel Madeiras. Kurz haben wir die Gipfelplattform sogar für uns alleine, bevor wir uns auf den Rückweg machen. Nun kommen uns hunderte Wanderer entgegen, wir müssen im Zickzack um halb sterbende Wanderer gehen und das Naturerlebnis bleibt nun auf der Strecke. Die meisten Gruppen machen nur den Hinweg und steigen dann über den kürzeren Direktweg ab. Wir müssen aber zu unserem Auto zurück und dabei einige fiese Gegensteigungen überwinden. Nach gut 4.5 Stunden zurück beim Ausgangspunkt staunen wir nicht schlecht: Alle Parkplätze sind bis weit den Berg hinunter hoffnungslos überfüllt. Wir machen uns so schnell es geht aus dem Staub und legen einen Zwischenstopp in Riberio Frio ein, wo wir in einem super sympatischen Kaffee mit Blick übers Tal Mittag Essen. Wenn wir schon mal da sind spazieren wir noch zu den “Balcones”, einem Aussichtspunkt hoch über dem Tal. Wir sind bereits weit unterhalb der Gipfel, auf die wir am Morgen standen, die Aussicht ist aber nicht minder schön.
Pico Grande und Levado do Rei
Nächster Tag, nächster Gipfel. Wir fahren einmal auf die andere Inselseite und wollen das gute Wetter für eine anspruchsvollere Tour ausnutzen. Wir fahren vom Meer eine kurvenreiche und immer steilere Strasse hoch und lassen das Auto bei einem Aussichtspunkt mit Kapelle stehen. Über einen schönen Weg über einen Pass und einen steilen Aufstieg erreichen wir den Gipfelaufbau des Pico Grande. Wir sind alleine und die Umgebung wird richtig alpin. Über eine etwas ausgesetzte, leichte Kletterstelle erreichen wir den Gipfel. Er gehört zwar nicht zu den höchsten der Insel, bietet aber eine fantastische Rundsicht. Das Wetter schlägt schnell um und als Wolken aufziehen, machen wir uns auf den Abstieg. Schnell sind wir beim Auto zurück und im Vergleich zum Pico Areeiro kommen uns hier kaum Menschen entgegen.
Nach einem Mittagsschlaf auf dem Sofa des Appartements wollen wir nochmals in die Natur: Wir erkunden die nahe gelegene Levada do Rei. Gemütlich ohne Höhenmeter geht es fünf Kilometer bis zu einem Wasserfall und dann wieder zurück. Die Wandergruppen sind bereits abgezogen und wir haben die regenwald ähnliche Vegetation im Abendlicht für uns alleine. Levada-Wandern hat wirklich etwas Entspannendes – fast schon Medidatives. Nach diesem sportlichen Tag laden wir unsere Energie wieder bei Knoblauchbrot und Fleischspiessen in Santana auf.
Nordküste und Achadas da Cruz
Wir wechseln die Unterkunft auf die Westseite der Insel und nehmen dabei die “Scenic Route” über die Nordküste der Insel. Dabei machen wir “Sightseeing by Car” und fahren von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt. Bei Sao Vicente schauen wir bei einer kleinen Kapelle auf einem Hügel der Sonne zu, wie sie sich über die Bergkette schiebt. Nach einem Halt beim Wasserfall Veu da Novia und den natürlichen Pools von Seixal – uns Weichbecher ist es trotz Sonne zu kalt zum Baden – kommen wir zur Sesselbahn der Achadas da Cruz. In Madeira gehen die Sesselbahnen nicht hoch, sondern runter – zum Meer. Wir nehmen hingegen lieber den Wanderweg und laufen in gut einer Stunde die 500 Höhenmeter zum Steinstand runter. Dabei haben wir immer eine top Aussicht auf die Steilküste. Wir geniessen die Ruhe bei den alten Bauernhöfen und nehmen dann die Sesselbahn wieder hoch. Nach einem Abstecher zum westlichsten Punkt der Insel, dem Leuchtturm von Punta do Pargo, checken wir beim Glamping von Calheta ein. Die kleinen Holzbungalows liegen weit oben am Hang und bieten eine super Aussicht aufs Meer und die Küste. Sie sind mit Küche und – viel wichtiger – Hängematte ausgestattet und bieten alles was wir brauchen. Wir gehen nochmals einkaufen. Hauptherausforderung bleiben die steilen und engen Strassen – und die noch engeren Parkhäuser.
Rabacal
Wieder früh morgens und noch im Dunkeln machen wir uns ins Hochland auf, genauer ins Wandergebiet von Rabacal. Schnell haben wir in der Dämmerung die Teerstrasse zum Cafe hinter uns gebracht und laufen der Levada bis zum Wasserfall “25 Fontes” entlang. Der Weg ist das Ziel: Die Bäume ranken sich über die moosbewachsene Levada und bilden ein dichtes Dach aus Ästen. Der Wasserfall bestehet eigentlich aus ganz vielen kleinen Wasserfällen, welche sich alle in einem Art Kessel befinden. Wir haben das ganze Naturspektakel für uns alleine. Natürlich darf dann ein Stop bei einer der Hauptsehenswürdigkeiten der Insel, dem Risco Wasserfall, nicht fehlen. Dieser führt aber momentan nicht viel Wasser und ist nicht besonders spektakulär. Wir steigen weiter zur Lagao do Vento auf, einer kleinen Lagune mit dazugehörigem Wasserfall. Wäre es wärmer, wäre diese für einen Schwumm perfekt. Mittlerweile hat das Wetter aber zugezogen und es beginnt zu regnen. Wir machen uns der Levada Archim entlang auf den Rückweg.Am Ende das gleiche Bild wie jeden Tag: Der Parkplatz ist hoffnungslos überfüllt. Nach einem grossen Mittags-Sandwich – natürlich mit Knoblauchbrot – chillen wir den Nachmittag in unserem Holzhäuschen, wobei wir schon die nächsten Reisepläne schmieden.
Bica da Cana und Fanal
Einen weiteren Tag geht es ins Hochland. Wir beginnen den Tag bei einem wunderschönen Sonnenaufgang über den Wolken auf dem Bica da Cana. Mit Aussicht auf die höchsten Gipfel der Insel und das Meer schauen wir den Wolken zu, wie sich diese durch die engen Täler hochschieben. Es ist kalt, knapp über Null Grad, mit dem starken Wind gefühlt viel kälter. Wir steigen etwas ab und machen uns auf den Weg zum Pinaculo, einem kleinen Felsenturm. Dabei werden wir bei Wasserfällen mehrmals kalt geduscht, womit wir noch kälter haben. Das ist mal ein Test für unsere Regenjacken! Einmal angekommen, merken wir, dass wir nur mit Kletterausrüstung weiterkommen. So müssen wir ohne Aussicht umkehren. Durch einen kleinen, völlig verwachsenen Pfad durchs feuchte Gebüsch kommen wir durchnässt und frierend zurück zum Auto. Und ausgerechnet in dieser Gegend der Insel gibt es weit und breit kein Kaffee.
Mittlerweile ist aber die Sonne rausgekommen und trocknet uns ein wenig, bevor wir nach Fanal fahren. Der Ort ist bekannt für seine alten Stinklorbeer Bäume, welche wir natürlich gleich als Erstes auskundschaften. Nach einer Runde zwischen den alten, verknorrten Bäumen laufen wir in etwa einer Stunde zu zwei Aussichtspunkten, von wo wir die Nordküste sehen können. Wieder aufgewärmt, aber jetzt müde geht es zurück ins Bungalow und am Abend wieder zu den obligaten Fleischspiessen. Die Insel ist wirklich nichts für Vegetarier.
Ponta da Pargo und Funchal
Letzter Tag, letzte Wanderung. Es geht wieder ganz in den Westen nach Punto do Pargo. Es ist super windig, als wir den Miradouro da Garganta Funda besuchen. Gleich an der Steilküste bestaunen wir den wunderschönen Wasserfall, welcher die meiste Zeit des Jahres ausgetrocknet ist aber momentan ziemlich viel Wasser führt. Anschliessend steigen wir einer Strasse zur Levada Nova hoch. Diese wirkt sehr verlassen und ausgetrocknet, hat jedoch eine schöne Aussicht über die Küste. Wir folgen der Levada einige Kilometer, bevor wir wieder zur Küste absteigen. Vorbei an verschiedene Aussichtspunkte und dem Pico Vermehlo geht es durch die verlassenen und verlotterten Dörfer zurück. Hier zeigt sich wieder die Armut der Insel – viele Einwohner sind auf das Festland ausgewandert. Die Wanderung ist sicher nicht die spektakulärste Wanderung unserer Ferien und wir sind am Ende unschlüssig, ob wir die Wanderung empfehlen würden.
Im winzigen “XS Kaffee” bei Kaffe und Kuchen beschliessen wir, Funchal doch noch einen Besuch abzustatten. Eigentlich wollten wir die einzige Stadt der Insel auslassen, da wir für die Natur hier sind, aber die Altstadt soll schön sein und wir haben noch etwas Zeit. So schlendern wir am Nachmittag etwas durch die Gassen, bestaunen die Strassenmalereien, feuern die Fahrer das gerade stattfindende Velorennen an und geniessen mit Meerblick einen Kaffee und einen Poncha, ein lokales Getränk aus Fruchtsaft, Rum und Honig. Nach einer ausgedehnten Runde machen wir uns auf den Heimweg: Die letzte Nacht verbringen wir in Santa Cruz, gleich beim Flughafen. Am Abend schliessen wir die Ferien mit einem super Znacht mit Degenfisch und noch mehr Poncha ab.
Madeira du wirst uns fehlen!
P.S. Die Heimreise dauert dann etwas länger als geplant: Nach einem verspäteten Abflug in Funchal, für den wir mitten in der Nacht aufstehen, und einer ungeplanten Zwischenlandung in den Algarven wegen Nabel kommen wir erst mit grosser Verspätung zu Hause an. Aber wir kommen an und können so immerhin den Blog gleich schreiben 🙂