Island
Wir landen abends in der Hauptstadt Reykjavik und holen unseren Mietwagen ab. Auf Grund der Nebensaison erhalten wir ein kostenloses Upgrade auf ein etwas grösseres, moderneres Auto. Spikes sind auch schon montiert, sehr gut, schliesslich wollen wir in den bereits schneebedeckten Norden. Auch für Verpflegung haben wir schon gesorgt: Alkohol gabs günstig im Duty free vor der Einreise am Flughafen, Lebensmittel in einem der zahlreichen Supermärkte in der Nähe unseres Apartments, irgendwo in den Aussenbezirken von Reykjavik.
Golden Circle
Als Erstes machen wir uns auf den “Golden Circle”. Dieser Marketingbegriff ist eine Reihe von Sehenswürdigkeiten in der Nähe von Reykjavik, welche einfach erreichbar sind und oftmals in einem Tag “abgeklappert” werden. Entsprechend überlaufen sind die Orte auch, wir starten schon bei Dunkelheit und haben glücklicherweise den ersten Stop, Thingvellir, praktisch für uns alleine. Bei wunderschöner Sonnenaufgangsstimmung spazieren wir in der Spalte zwischen den Kontinentalplatten zu einem kleinen Wasserfall. Wir sind fasziniert. Die Schönheit von Island ist schon auf Bildern umwerfend, vor Ort ist alles noch viel intensiver. Viele weitere Wasserfälle (isländisch “foss”) werden in den nächsten Tagen folgen. Der erste bleibt aber etwas Besonderes.
Als nächstes fahren wir zum Bruarfoss. Da der Wasserfall nicht direkt an der Strasse liegt und rund 45 Minuten hingelaufen werden muss, hat es hier deutlich weniger Besucher. Wir laufen flussaufwärts und bekommen zwei weitere Wasserfälle auf dem Weg zu sehen. Ein paar Stunden im Land, bei strahlend blauem Himmel und bereits vier wunderschöne Wasserfälle gesehen.
Die beiden nächsten Stopps gehören zum absoluten touristischen Pflichtprogramm in Island: der grosse Geysir und der Gullfoss Wasserfall. Die Wege sind gut ausgebaut und voll mit Menschen aus aller Welt. Beim Geysir warten alle mit gezückter Kamera auf den nächsten Ausbruch. Bequemerweise muss niemand länger als 5 bis 10 Minuten auf die nächste Fontäne warten. Wir laufen noch zum nahegelegenen Aussichtspunkt hoch und lassen unsere Blick auf die weiter entfernten schnee- und eisbedeckten Vulkane schweifen. Wir sind aufgeregt, was uns in den nächsten Tagen erwartet. Beeindruckend ist auch der Gullfoss, wirklich ein riesiger Wasserfall, wunderschön eingebettet in der Umgebung. Aaron wird es hier aber etwas zu viel vom Trubel der Touristenmassen. Wir sind zum ersten Mal erstaunt, wie viele Menschen selbst im Oktober noch hier unterwegs sind und wagen es uns nicht vorzustellen, wie es hier wohl in der Hochsaison zu und hergeht.
Ruhig und entspannt geht es bei den heissen Quellen von Hrunalaug zu. Der Eintritt muss in bar bezahlt werden – der Grund, warum wir extra beim Geldautomaten vorbei sind. Alles andere in Island wird mit der Kreditkarte bezahlt. Die Quellen bestehen aus nicht viel mehr als zwei kleinen natürliche Pools und ein für Island typisches Torfhaus (ein von Gras überwachsenes Häuschen). Wir verbringen rund zwei Stunden in den heissen Quellen, bevor uns der Hunger und Durst ins nahegelegene Fludir treibt. Zufrieden verbringen wir dort unseren ersten Abend im Restaurant des Hotels.
Der Weg zu den Gletschern
Wir planen, die gesamte Insel gegen den Uhrzeigersinn auf der Ringstrasse zu umrunden. Das Wetter und damit die Strassenverhältnisse sind aber im Oktober ziemlich unberechenbar. Durch starken Sturm oder Schneefall können einzelne Gebiete auch mal tagelang nicht erreichbar sein. Wir müssen somit alles nach dem Wetter richten und spontan bleiben. Wir sind aber optimistisch und haben unsere Unterkünfte bereits alle vorgebucht. Bei einer Schlechtwetterperiode würden wir diese stornieren und umkehren. Für die nächsten Tage sieht es aber gut aus und im Süden liegt noch kein Schnee.
Wir kommen von Fludir an die Südküste und fahren diese nun mehr oder weniger entlang. Die nächsten Stopps sind der Sljalandsfoss und der Gljufrabui. Wieder zwei Wasserfälle. Dieses Mal können wir hinter dem Wasserfall hindurch laufen. Das obligatorische Foto darf da natürlich nicht fehlen. Auch der nächste Wasserfall (20 Autominuten weiter) der Skogafoss ist eindrücklich. Aber noch viel schöner ist die Wanderung dem Flusslaufs entlang. Sobald der erste und berühmteste Wasserfall ausser Sicht ist, sind wir praktisch alleine unterwegs. Alle paar hundert Meter folgt ein weiterer, noch schönerer Wasserfall. Wir folgen dem Weg eine gute Stunde bis zu einem kleinen Plateau mit einem Steinmänli. Im Sommer ist dieses Stück ein Teil einer bekannte Weitwanderung. Wir bekommen Lust auf Mehr.
Islands Ringstrasse ist viel “Sightseeing by car”. Man fährt zu einer Sehenswürdigkeit, steigt aus, spaziert etwas herum und macht ein paar Fotos, bevor man zum nächsten Stopp fährt. Oftmals möchten wir auf der Strasse anhalten und die Landschaft bestaunen. Das ist aber gefährlich – es passieren immer wieder schwere Unfälle, weil Touristen irgendwo anhalten, wo niemand damit rechnet.
Unser nächster Stopp ist die Halbinsel Dyrholaey, wo wir eine schöne Aussicht auf den schwarzen Strand von Rynisfjara haben. Wir besuchen den Leuchtturm und können im Nebel nur erahnen, wo im Sommer die Papageientaucher brüten. Ganz traurig, die Vögel im Oktober nicht bestaunen zu können, spazieren wir am schwarzen Sandstrand mit seinen mächtigen, wunderschönen Basaltsäulen entlang. Dieser ist bekannt aus der Serie “Game of Thrones”. Seither belagern hier tagein, tagaus die Touristen den Stand.
Gegen Abend machen wir einen letzten Stopp beim Fjaorargljufur Canyon. Diese eindrucksvolle Schlucht lässt sich bequem von den Aussichtsplattformen von oben bestaunen. Wir wandern den gemütlichen Wanderweg auf und ab und kommen schliesslich müde und hungrig im kleinen Dorf Kirkjubaejarklaustur in unserem Apartment für die Nacht an. Um etwas Geld zu sparen, wollen wir eigentlich so oft es geht selber kochen. Wir können an diesem Abend aber nicht widerstehen und gönnen uns Pizza und Burger im einzigen Restaurant des Dorfes.
Im Dorf wird uns klar: nun sind wir definitiv im bevölkerungsarmen Teil von Island unterwegs – 60% der Isländer leben in oder um Reykjavik. Damit steigt nun auch unsere Chance, die Nordlichter zu sehen. Wir prüfen regelmässig die verschiedenen Prognoseapps und hoffen jeden Abend auf einen wolkenfreien Himmel. In dieser Nacht klingelt unser Wecker zwei Mal. Ausser einem wunderschönen Sternenhimmel gibts aber nichts zu sehen.
Zu den Gletschern des Vatnajökull
Auf diesen Teil der Reise haben wir uns ganz besonders gefreut: die Gletscherlagunen des Vatnajökull Gletschers. Immerhin der grösste Gletscher Europas. Als wir morgens in Richtung Nationalpark fahren, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr raus. Wir müssen anhalten und die riesigen Gletscher und Berglandschaften im ersten Tageslicht bestaunen.
Umso glücklicher sind wir, als wir die Wetterprognosen sehen: Die nächsten zwei Tage ist Wanderwetter! Als Erstes starten wir im Skaftafel Nationalpark zum Sjónarnípa Aussichtspunkt. Es ist noch früh und entsprechend kalt. Der Boden ist noch gefroren, deshalb beneiden wir die Camper in ihren Vans und Zelten beim Eingang des Nationalparks so gar nicht. Wir starten unsere Wanderung zuerst auf einem gut ausgebauten Weg bis zum Svartifoss, einem weiteren Wasserfall aus “Game of Thrones”. Als wir weiter zum Aussichtspunkt aufsteigen, geht hinter dem höchsten Berg Islands die Sonne auf, wenig später haben wir freie Sicht auf den, nach Séverines Worten, “massiven Gletscher”. Wir bleiben lange am Aussichtspunkt sitzen und geniessen einsam die Welt. Die Gletscherlagune ist riesig, kein Bild kann der Eismasse gerecht werden. Steiler geht es nun durch einen kleinen Wald wieder runter zum Auto.
Wenn irgendwo in der Nähe der Ringstrasse Autos stehen, lohnt es sich meistens, einfach anzuhalten. Beim Svínafellsjökull (jökull bedeutet Gletscher) steigen wir spontan aus und laufen ein paar Minuten zur Gletscherlagune hoch. Der Gletscher ist riesig und die Abbruchkante wohl über 20 Meter hoch. Nirgendwo sonst sind solch riesige Gletscher direkt mit dem Auto erreichbar.
Dieser Teil der Ringstrasse ist besonders spektakulär. Hinter jeder Kurve zeigt sich ein weiterer Gletscher. Jeder einzelne wäre an einem anderen Ort auf der Welt eine Attraktion für sich allein. Hier gibt es nicht mal einen Wanderweg, geschweige denn einen Parkplatz. Die Eismassen kommen fast bis zur Ringstrasse herunter. So auch beim Fjallsárlón, wo wir die Eisberge von nahe bestaunen. Diese lösen sich vom Gletscher und treiben über die Lagune. Im Sommer flitzen die Speedboote übers Wasser, jetzt ist es zum Glück ruhiger.
Die nächste Strasse, in die wir abzweigen, ist nicht markiert und nicht asphaltiert. Wir folgen der Strassen einige Kilometer und bevor sie nur noch von isländischen Superjeeps passierbar wird, hat es einen kleinen Parkplatz. Wir sind weit und breit die Einzigen. Genau wegen solchen “Abstechern” lohnt es sich, einen 4×4 zu mieten. Ein paar Minuten weg vom Trubel der Ringstrasse und wir sind völlig alleine in den Landschaften Islands. Die Lagune vor uns hat im Moment keine Eisberge und wir machen einen kleinen Spaziergang auf dem längeren Wanderweg, welche die Lagunen miteinander verbindet.
Die letzte Lagune des Tages, der Jökulsárlón, ist die berühmteste. Aus gutem Grund: Die Eisberge sind noch grösser und kommen bis auf wenige Meter an die Ringstrasse heran. Wir laufen der Lagune entlang und geniessen die Sicht auf die Eisberge. Hier sind wieder viele Besucher unterwegs, am nahegelegenen “Diamond Beach” stehen hunderte Bustouristen. Die Eisstücke werden an diesen schwarzen Strand geschwemmt und glitzern dann beim Schmelzen in der Sonne, ein Instagram-Hotspot. Aber wir müssen schon eingestehen, dass die Eisstücke wie riesige, geschliffene Diamanten aussehen.
Wir verbringen die Nacht in Hali, einer kleinen Ansammlung von Gästehäusern. Wir kochen in der Gemeinschaftsküche und suchen wieder erfolglos die Nordlichter. Gleich nebenan ist der Ausgangspunkt für unsere geführte Tour am nächsten Morgen. Mit dem Superjeep fahren wir einige Kilometer von der Ringstrasse ab und montieren Steigeisen und Gstältli. Abgesehen von einigen Gletschermühlen ist der Gletscher ohne Spalten und wir müssen uns nicht anseilen. Nachdem wir einige hundert Meter über den mit Vulkanstaub bedeckten Gletscher gelaufen sind, steigen wir in eine Gletscherhöhle ab. Die erste Höhle ist eigentlich mehr ein langer Gang als eine Höhle. Je tiefer wir in den Gang steigen, desto klarer wird das Eis. Das Eis schmilzt aber schnell und bald müssen wir umkehren, da sich der Durchgang in einen kleinen Bach verwandelt. Etwas entfernt besuchen wir noch die andere, grössere Eishöhle. Hier sind keine Steigeisen mehr nötig und es werden täglich hunderte Touristen durchgeschleust. Wir befinden uns mehr als 20 Meter unter dem Eis und haben trotzdem noch Tageslicht. Am Ende der Tour sind wir sehr happy, müssen aber ehrlich zugeben, etwas mehr vom Gletscher erwartet zu haben. Vielleicht sind wir auch von unseren heimischen Gletschern zu verwöhnt.
Wir beschliessen noch am selben Tag eine weitere Lagune zu besichtigen, den Hoffellsjökull. Einziges Problem: Die 8 Kilometer lange Schotterstrasse ist in einem ziemlich schlechten Zustand. Sie ist zwar trocken, aber so viel Bodenfreiheit hat unser SUV dann doch nicht. Ein Isländer überholt uns Vollgas, mit seinem Superjeep ein Kinderspiel. In der Mitte der Strecke halten wir an und überlegen uns, umzukehren. Wir haben den Parkplatz aber schon in Sichtweite – jetzt nicht aufgeben! Als wir den Parkplatz erreichen und die Moräne hochsteigen, sind wir sprachlos. Nochmals ein riesiger Gletscher, eine wunderschöne Lagune und unzählige Eisberge liegen vor uns ausgebreitet. Für uns definitiv die schönste Lagune. Und: Abgesehen vom isländischen Pärchen beim Abendspaziergang sind wir alleine. Ein Highlight der Reise als Abschluss des Südosten.
Zurück schaffen wir es dann auch noch vor dem Sonnenuntergang. Wir schlafen in einem kleinen Gästehaus im Nirgendwo. Dafür mit Aussicht auf unzählige Gletscher. Leider klingelt auch in dieser Nacht der Wecker mehrere Male vergeblich.
Die Ostfjorde
Ein “Fahrtag” durch die Ostfjorde. Fast 300km wollen wir heute fahren. Der Himmel ist wolkenverhangen und es regnet. Der Weg ist das Ziel. Wir fahren von Fjord zu Fjord und halten dann und wann kurz an. Teilweise ist der Wind so stark, dass wir die Autotür kaum aufbringen. In Djúpivogur, einer Stadt, die von sich behauptet, besonders langsam zu sein, halten wir an. Als Berner tönt dies natürlich heimelig. Ausser dem verschlafenen Hafen und einem alten Haus gibt es aber nicht viel zu sehen. Als wir weiterfahren, wird die Landschaft um uns langsam weiss. Wir fahren über den ersten schneebedeckten Pass und machen damit einen Abstecher nach Seydisfjordur, einem kleinen Fischerdorf. Im Hafen steht die Fähre nach Dänemark. 48 Stunden dauert die Fahrt mit Stopp auf den Färöer Insel. Wir laufen durchs bunte Dorf und geniessen im Kaffeehaus etwas Warmes. Der Besitzer erzählt müde von all den Kreuzfahrttouristen im Sommer. Zum Glück ist es heute aber ruhig. Nach einem Stopp beim Gufufoss, bekannt aus “Das erstaunliche Leben des Walter Mitty” gehts zurück über den nebelverhangenen Pass nach Egilsstaðir, wo wir die Nacht verbringen werden. Zuerst gibt es aber Entspannung in den Vök Baths. Das Thermalbad ist neu und die Architektur einmalig: Die Umkleidekabinen sind in den Hügel gebaut, während die Bäder im See schwimmen. Das Gebäude scheint im perfekten Einklang mit der Natur gebaut zu sein. Wir sitzen im 41 Grad heissen Wasser, während wir den Arm im kalten See eintauchen können. Im Gegensatz zu den Einheimischen wagen wir uns dann doch nicht ins 3 Grad kalte Seewasser . Nicht weit liegt unsere Unterkunft für die Nacht: einem dreieckigen Häuschen, ausgestattet mit Küche, Bad und Blick auf den See. Was wollen wir mehr?
Mývatn und der Diamond Circle
Am nächsten Morgen geht es wieder mit einer längeren Fahrt los. Die Ringstrasse verläuft nun im Landesinnern in den entlegensten und bevölkerungsärmsten Regionen Islands. In dieser Region fällt am meisten Niederschlag, es ist schon alles schneebedeckt. Die Strassen sind teilweise ebenfalls mit Schnee und Eis bedeckt, aber noch gut befahrbar. Selbst zum Dettifoss, dessen Zufahrtsstrasse im Winter gesperrt ist, gelangen wir noch. Der Wasserfall gehört zu den mächtigsten Europas und führt “dreckiges” Wasser. Die Stimmung mit all dem Schnee, dem Eis und den teilweise vereisten Wasserfällen ist ganz anders als im Süden. Alles wirkt viel ruhiger, entspannter und mystischer. Wir besuchen auch den nahegelegenen Selfoss, welcher uns noch mehr in seinen Bann zieht.
Die Region um den See Mývatn ist das Zentrum von starker vulkanischer Aktivität und lebt ausschliesslich vom Tourismus. Entsprechend lang ist die Liste der Sehenswürdigkeiten. Wir starten beim Geothermalkraftwerk Krafla und laufen zum Vulkansee Viti hoch. Im Sommer kann man hochfahren, jetzt ist die Strasse gesperrt. Der Kratersee ist tiefgefroren und somit wenig spektakulär. Aber die Aussicht über die Region mit ihren Kratern, dampfenden Quellen und hohen Berge ist top.
Der nächste Stopp ist der brodelnde Boden bei Hverir. Überall brodelt und zischt es aus dem Boden, die umliegenden Hügel sind wegen der Erdwärme ohne Schnee. Die Wege sind hier ein einziges Schlammbad und wir haben anschliessend lange, um unsere Schuhe vom zentimeterdicken Schlamm zu befreien.
Letzter Stopp an diesem Tag ist der Krater von Hverfjall. Rund 100 Meter hoch und einen Kilometer im Durchmesser ein perfekter Spaziergang bevor die Sonne untergeht. In etwas mehr als einer Stunde umrunden wir den Krater auf seinem Rand und geniessen die Aussicht auf den See und die Berglandschaft.
Die Nacht verbringen wir im superschönen, herausgeputzten Fosshotel Myvatn. Im Sommer kostet eine Nacht locker über 300 Euro, wir zahlen jetzt in der Nebensaison 90 Euro und essen im Dörfchen ein superfeines Fish’n’Chips. Etwa um Mitternacht fallen Séverine, immer auf der Jagd nach Nordlichtern, die Leute vor dem Hotels auf. So ziehen auch wir unsere wärmsten Kleider an und laufen raus in die vollkommene Dunkelheit. Ganz dunkel ist es aber nicht: Wir sehen zum ersten Mal in unserem Leben Nordlichter! Zwar ziemlich schwach, aber hey – trotzdem Nordlichter!
Etwas müde starten wir in den Tag zum nächsten Drehort von “Game of Thrones”: die Grotten von Grjótagjá. Wir sind so früh da, der Temperatur unterschied von draussen und der Grotte ist hoch. So sehen wir vor lauter Dampf nicht viel. Bei Dimmuborgir wirds interessanter: Die aus Lava geformten Türme erinnern an verfallene Ruinen. Wir drehen zu Fuss eine grosse Runde durch die Formationen und verbringen sicher über eine Stunde zwischen Lavasteinen und Höhlen, während gleichzeitig die Sonne langsam aufgeht. Nicht weit von Dimmuborgir besuchen wir den kleinen Park von Höfði. So ganz untypisch für Island hat es Bäume – ja sogar ein richtiger Wald. Wir machen einen einsamen Spaziergang und geniessen die Aussicht auf den hier aufgetauten See und seine perfekten Spiegelungen der Lavaformationen. Nochmals einige Fahrminuten weiter liegen die Krater von Skútustaðagígar. Der See ist wieder hier gefroren. Wir spazieren die Krater hoch und teilen die Aussicht mit einer grossen Busreisegruppe – weiter gehts!
Auf zum Wasserfall der Götter. Der Godafoss. Wir haben in den letzten Tagen ja viel Wasser die Hänge runterstürzen sehen, aber dieser Wasserfall ist wirklich etwas Besonderes: Perfekt eingebettet vor einer Bergkette fällt das glasklare Wasser aus allen Richtungen in einen vereisten Pool.
Wir haben noch etwas Zeit und entscheiden uns für einen Umweg über Húsavík. Das Dorf, schon fast an der Nordküste und damit am Polarkreis, zieht die Touristen wegen seinen Whale watching Touren an. Uns ist die See zu unruhig und die Chance, so spät in der Saison Wale zu sehen, klein. Wir schauen uns das farbige Dorf an und geniessen ein Kaffee im schönen Hafenrestaurant. Noch etwas nördlicher der Stadt besuchen wir einen wunderschönen, namenlosen Sandstrand. Die Sonne zeigt sich und wir spazieren einsam dem langen, schwarzen Sandstrand entlang, während uns die Islandpferde rundum zuschauen. Die Fahrt weiter führt uns über einsame Pässe mit Aussicht auf wunderschöne Fjorde im Abendlicht. Schon fast etwas kitischig das Ganze!
Die Nacht verbringen wir in der zweitgrössten Stadt Islands und der “Hauptstadt des Nordens”. Wir haben extra ein Apartment im Zentrum gebucht, um wenigstens einmal auf der Reise etwas vom Nachtleben der Isländer mitzubekommen. Aaron ist sogar bereit, mehr als 10 Franken pro kleines Bier zu bezahlen. Wir werden leider ziemlich enttäuscht. Es hat zwar coole Bars, die sind aber alle fast leer. Liegt es daran, dass Donnerstag, die Stadt ziemlich klein und Nebensaison ist? Oder dass wir ziemlich früh schlafen gehen, da wir müde sind von all den Eindrücken in den letzten Tagen? Wir werden es wohl nie erfahren.
In den Westen auf die Snaefellsnes Halbinsel
Wir haben wieder einen Fahrtag geplant. Fast 400km Landstrasse stehen heute vor uns. Am frühen Morgen ahnen wir noch nicht, dass dies die längste und wohl auch unspektakulärste Fahrt der Ferien sein würde. Nach der ersten Passüberquerung geht die Sonne auf und wir sind in Varmahlíð, einem kleinen Dörfchen. Hier haben wir unseren kleinen Reitausflug gebucht. Wir machen die 1.5 Stündige “Wikinger”-Tour für Anfänger zu einem kleinen Wasserfall. Séverine wünscht sich so sehr ein braunes Pferd – oder Pony? – mit blonder Mähne und ist dann überglücklich, als ihr das einzige braune Pferd mit blonder Mähne zugeteilt wird. Wir bekommen eine ultrakurze Einführung ins Reiten und los gehts. Zum Glück sind die Pferde sehr zutraulich und wir durchqueren ohne Probleme einen kleinen Fluss. Nach dem obligatorischen Fotostopp beim Wasserfall geht’s zurück und Séverine strahlt bis zu den Ohren. Dieses Strahlen wird noch lange nicht weggehen.
Nur noch Auto fahren wollen wir an diesem Tag dann doch nicht. Wir halten noch am Kolugljúfur Canyon, einer kleinen Schlucht nicht weitab der Ringstrasse. Ein schöner Ort, um uns die Beine zu vertreten, aber an die Schluchten im Süden kommt das nicht ran. Dann wird die Strecke zum ersten Mal in Island etwas harzig und langweilig. Irgendwann biegen wir auf die Snaefellsnes Halbinsel ab. Diese wird auch “Island in Miniatur” genannt, da hier alle Landschaften Islands vorkommen. Bevor wir ins Hotel kommen, wo wir das erste Mal auf dieser Reise an einem Ort für zwei Nächte bleiben, halten wir noch an den Basaltklippen von Gerðuberg. Die Klippen sind einige Meter hoch und schön anzusehen, die Aussicht auf die Landschaft und der kleine Kirche vor uns sind wie aus dem Werbeprospekt.
Wie aus dem Prospekt sind auch die Nordlichter, die wir an diesem Abend sehen. Diese sind zum ersten Mal richtig stark sichtbar, tanzen richtig im Himmel. Mit einem Bier und Prosecco stehen wir auf einem kleinen Hügel gleich neben unserem Hotel und schauen uns das Spektakel an. Nach anderthalb Stunden spüren wir unsere Zehen nicht mehr und schauen uns die Lichter aus unserem Zimmer an und freuen uns in diesem Moment so sehr über die Bodenheizung.
Früh morgens geht’s los zu unserer Runde auf der Halbinsel: Es gibt viel zu sehen! Es wird wieder ein typischer “sightseeing by car” Tag. Erster Stopp im Morgennebel ist die schwarze Kirche Búðakirkja. Etwas unheimlich steht die Kirche neben einem Lavafeld und einem kleinen Friedhof auf einem Hügel. Gleichzeitig lesen wir die Geschichte vom “ersten Gästehausbesitzer Islands”, welcher seine Gäste mit einer Axt getötet haben soll, um die Habseligkeiten der Gäste zu verkaufen. Weiter soll es im nahegelegenen Lavafeld ein Labyrinth von unterirdischen Gängen geben, in denen teilweise Menschen verschwinden und dann anderenorts plötzlich wieder auftauchen. Wie dem auch sei – wir begegnen auf unserem Spaziergang durch die Felder niemandem.
Beim nächstgelegenen Dorf Arnarstapi wandern wir einige Kilometer der Küste entlang nach Hellnar und bewundern die bizarren Lavaformationen, welche am Meer oder mitten im Meer stehen. Es ist windig und regnerisch, die See rau. Beim Strand von Djúpalónssandur machen wir einen kleinen Abstecher zum kleineren, aber wunderschönen Strand von Dritvik. Wir haben den Strand ganz für uns und sind erstaunt, dass die Überreste eines Schiffsunglück von 1948 nicht weggeräumt werden, da die Isländer sonst überall so bedacht sind, die Natur möglichst unberührt zu lassen. Erst als wir weiterfahren und auf den kleinen Krater Saxhóll steigen, kommt die Sonne hinter den Wolken hervor. Der Krater ist mit einer grossen Metalltreppe erreichbar und bietet eine schöne Aussicht, wir werden aber vom Wind fast davon geblasen.
Nun gehts zum Strand von Skarðsvík, einem der wenigen gelben Sandstrände Islands. Ganz schön anzusehen, aber bei Sonne wohl etwas spektakulärer. Über eine Schotterpiste geht es zu den beiden in leuchtendem orange angestrichenen Leuchttürme von Svörtuloft und Öndverðarnesviti. Wir befinden uns nun auf der äussersten Ostspitze der Halbinsel im Snæfellsjökull Nationalpark, benannt nach dem Vulkan in der Nähe. Dieser hat sich bisher in den Wolken versteckt und zeigt sich dann plötzlich auf der Weiterfahrt. Hektisch biegen wir auf einen Parkplatz ab und geniessen einfach die Sicht auf den riesigen, sanft ansteigenden Gletscher. Es würde uns schon sehr reizen, dort rauf zu laufen. Daraus wird auf dieser Reise nichts, wir brauchen erstmal ein Kaffee. Im nächsten Dorf hat alles geschlossen ausser eine richtig schäbige, alte Tankstelle. Die Milch im Kaffee hat eine eher feste als flüssige Konsistenz – schnell weiter! Nach einem richtigen Kaffee im nächsten Dorf halten wir an dem Instagram Hotspot Island: dem Kirkjufellsfoss. Der kleine Wasserfall vor einem Berg muss als Fotosujet Nummer 1 hinhalten. Ist ja schon schön anzusehen, aber Aaron findet, dass es in der Umgebung wohl hunderte solche Punkte gibt. Einfach ohne Touristen. Und ohne einen kostenpflichtigen Parkplatz. Nochmals ein Stückchen weiter entdecken wir einen solchen Punkt: nur wenige hundert Meter von der Hauptstrasse liegt ein kleiner Aussichtspunkt neben einem Wasserfall, bei dem wir hinter dem Wasser durchlaufen können. Die Aussicht auf die Berglandschaft und Seen in der Sonnenuntergangsstimmung ist fantastisch. Kein Wunder, taucht dann doch noch eine Touristengruppe auf. Wir fahren über den Pass zurück in unser Hotel, super zufrieden, was wir an einem Tag so alles auf der Snaefellsnes Halbinsel erleben konnten.
Zurück nach Reykjavík
Der 10. und letzte Tag unserer Rundreise steht an. Etwas von der Snaefellsnes Halbinsel wollen wir aber noch mitnehmen: der Eldborg Krater. Der drei Kilometer lange Weg ist eine Schlammschlacht, es hat die ganze Nacht geregnet. Entspanntes Wandern ist anders. Wir kommen auf dem Kraterrand an, geniessen kurz die Aussicht auf die Berge und das Meer und machen uns dann zurück zum Auto.
Jetzt heisst es Schuhe putzen und raus aus den Wanderkleider! Wir kehren ins Stadtleben zurück! Wir fahren in Richtung Reykjavik. Irgendwann kommen wir zum Kreisel, bei dem wir vor zehn Tagen nach Thingvellir abgebogen sind. Wir haben es geschafft und haben die Insel einmal komplett umrundet! Nun ist alles nur noch Zugabe: Reykjavik kommt uns mit seinen 120’000 Einwohner und all diesen Autos und Menschen als Grossstadt vor. Wir parkieren direkt neben der Hallgrimskirche, dem wohl berühmtesten Wahrzeichen der Stadt und starten eine eigene, kleine Sightseeing Tour: Wir schlendern zur Skulptur der “Sonnenfahrt”, schauen uns im Foyer des Konzerthauses “Harpa” die Aussenfassade an, essen beim berühmtesten Foodstand Islands einen Hotdog und landen schliesslich in einem etwas verstaubten Kaffee am alten Hafen. Hier hören wir zum ersten Mal fast nur noch Isländisch. Wir merken erst beim Hinausgehen, dass wir offenbar im ältesten Kaffee Islands gelandet sind. Genau darum wollte Aaron noch den letzten Tag in der Stadt verbringen: mal sehen und fühlen, wie die Isländer so leben. Aber wie in Akureyri werden wir etwas enttäuscht: viel läuft nicht, die hochgelobte Einkaufsstrasse ist klar auf Touristen und Souvenirs ausgelegt und in den Strassen hören wir auch an diesem Sonntag Nachmittag fast nur Englisch. Am letzten Tag zeigt sich Islands Wetter von der üblen Seite: Es regnet eigentlich ununterbrochen. Wir schlendern etwas durch Läden und Bars.
Nach einer Pizza geht es zurück an den Flughafen. Die Strasse zum Flughafen ist Islands meist befahrene und bestunterhaltenste Strasse. Es ist aber für uns die gefährlichste Strecke der Reise: Es regnet an diesem Abend, was es nur kann, hat sehr viel Verkehr und es ist stockdunkel. Wir sind erleichtert, dass wir das Auto eine halbe Stunde später ohne Schaden abgeben können, schliesslich haben wir auf die teure Vollkasko verzichtet. Unser Flug startet um 7 Uhr früh, gegen neun Uhr sind wir bereits in der Abflughalle. Wir kaufen uns das mittlerweile obligate Souvenir, eine lokale Flasche Gin, und machen es uns dann in der Abflughalle gemütlich. Einige Stunden können wir ungestört schlafen. Gegen 5 Uhr früh treffen die Maschinen aus den USA ein und die Abflughalle beginnt wieder zu leben. Island ist für die meisten Passagiere nur eine Umsteigestation auf dem Weg zwischen Europa und Nordamerika. Für uns war aber Island selber das Ziel. Und was für eines. Diese Reise werden wir so schnell nicht wieder vergessen!