Japan
Nach einer sehr langen, aber ruhigen Reise kommen wir mit voller Vorfreude in Tokyo an. Wir verbringen die ersten Stunden dann zuerst einmal in Warteschlangen. Als Erstes bei der Immigration und später am Bahnhof, um unser Zugticket für die nächsten Wochen zu kaufen. Zum Glück reicht es gerade noch auf den letzten Expresszug des Abends in die Innenstadt. Nach weiteren 90 Minuten Zugfahrt kommen wir endlich in unserem Hotel an und fallen direkt ins Bett. Am Samstagvormittag sind wir in Bern los, nun ist Sonntagabend, insgesamt waren wir über 30 Stunden unterwegs. Wir sind super gespannt, was uns die nächsten dreieinhalb Wochen im Land der aufgehenden Sonne erwartet!
Tokyo
Wir brechen früh und aufgeregt in die 38 Millionen Stadt auf. Wir haben uns in Shibuya, einem bekannten Freizeit- und Geschäftsviertel einquartiert. Als Erstes geht es durch die morgendliche Pendler Massen zum Starbucks, um dort einen Kaffee zu trinken. Starbucks ist ja jetzt nicht gerade besonders Japanisch, aber von dessen Panoramafenster haben wir die beste Aussicht auf die berühmteste Kreuzung der Welt, die Shibuya Crossing. Jedes Mal, wenn die Ampel auf Grün springt, laufen hunderte – wenn nicht tausende – Personen über die Kreuzung. Wir starten also mit People Watching in den Tag.
Nächster Stopp ist ein Seven Eleven Shop, auch nicht Japanisch und eher aus den USA bekannt. Wir sind wegen dem Drucker da. Wir können die im Voraus über VPN beantragte, offizielle japanische Übersetzung des Schweizer Führerausweises drucken. Bürokratie pur, aber der Druck klappt problemlos und wir sind happy. Später auf der Reise wollen wir dann den typischen Touristenpfad verlassen und ein Auto mieten. Dazu braucht es dann die offizielle Übersetzung.
Zuerst zieht es uns einmal zu Fuss weiter zum Meiji jingu Schrein, mitten in einer grossen, grünen Park-Oase. Besonders die Gärten mit den Iris und Seerosen in voller Blüte gefallen uns. Aaron hat etwas Respekt vor den Riesen-Kois, welche aussehen, als würden sie bald mit ihren riesigen Mäulern aus dem Wasser springen und ihm die Finger abbeissen.
Nach dem Park lässt uns die Takeshita Strasse nun definitiv in Japan ankommen. Genau wie diese Strasse haben wir uns Japan vorgestellt: voller Katzencafes, Ramschläden und Süssigkeiten in allen Formen und Farben. Bei der regenbogenfarbige Zuckerwatte kann Séverine kaum widerstehen. Wir lassen erstmal ein kleines Figürchen bei einem der unzähligen Automaten mit Münzschlitz raus. Es gibt ganze Stockwerke voll mit diesem Automaten.
Wir laufen via “Omotesando Hills” zurück. Die Strasse ist eine Art 5th Avenue mit einem Luxusladen nach dem anderen. Auch wenn uns hier das nötige Kleingeld fürs Shopping fehlt, ist es schon nur architektonisch spannend, die Läden von aussen zu sehen. Die Marken verkaufen ihre Produkte jeweils in einem auffälligen, aufwändig designten Gebäude. Cool ist zum Beispiel das Gitarrengeschäft von Fender, dessen Form einer riesigen Gitarre ähnelt.
Zurück in Shibuya machen wir kurz Halt im Pokémon-Zentrum, welches von Japanern wie auch Touristen regelrecht gestürmt wird. Sei es, um ein selbst kreiertes Pokemon T-shirt zu gestalten oder nur, um sein Lieblings-Pokemon als Plüschtier zu kaufen. Wir sehen die lange Warteschlange an der Kasse und verzichten auf einen Kauf.
Es wird an der Zeit, uns dem japanischen Essen zu widmen. Guter Einstiegspunkt sind die Food Halls von Einkaufszentren, da es Verschiedenes unkompliziert zu probieren gibt. Wir sind noch etwas vorsichtig und wählen am Automaten mal ganz klassisch Ramen ohne grossen Plan, was wir eigentlich bestellen. Wir finden das Essen sehr gut – es ist aber noch nichts im Vergleich zu den Ramen, welche wir in den nächsten Wochen essen werden. Nach dem Mittagessen folgt ein kurzer Trip durch den “Mega Don Guijote”, einem Warenhaus, in dem es alles zu kaufen gibt, was sich die Japaner so wünschen könnten. Mit viel Lärm und Bling Bling präsentiert. Man kann sich kaum unterhalten und weiss auch nicht recht wo hin schauen: überall blinkt, leuchtet und lärmt es. Etwa im Gleichen Stil ist das Ganze Viertel – besonders am Abend, wenn es zum Ausgehviertel der Japaner mutiert.
Matsumoto
Schon am ersten Tag verlassen wir Tokyo am Nachmittag wieder. Wir werden von der Metropole wieder nach Hause fliegen und die Stadt am Ende unsere Reise weiter erkunden.
Nun sind wir gespannt auf das viel gelobte japanische Zugsystem. Wir planen uns für die erste Fahrt und das erste Mal am riesigen Bahnhof viel Zeit ein und kommen entsprechend viel zu früh aufs Bahngleis. Eigentlich ist es genau wie in der Schweiz nicht nötig, viel zu früh am Gleis zu stehen, es kommen nur noch andere Züge. Irgendwann kommt unser Zug. Alle Langstrecken-Züge müssen vorher reserviert werden – das geht aber ohne Probleme noch bis 5 Minuten vor Abfahrt. Die Reservation ist online möglich, man muss aber immer noch ein Ticket am Automaten am Bahnhof rauslassen – so viel zur Digitalisierung in Japan.
Nach knapp zwei Stunden Zugfahrt erreichen wir die verschlafene Stadt von Matsumoto. Wir spazieren durch die Strassen bis zur Hauptsehenswürdigkeit, die älteste Holzburg Japans. Es ist etwa sechs Uhr abends und alles scheint geschlossen. Die Öffnungszeiten scheinen in Japan abseits der Grossstadt sehr kurz zu sein, die meisten Sehenswürdigkeiten und Shops öffnen erst um 9 Uhr und schliessen am späteren Nachmittag wieder. Wir geniessen trotzdem die Abendstimmung im Park und sehen uns die Burg von aussen an. Mit grossem Hunger gehen wir in einem kleinen, gemütlichen Restaurant eine weitere japanische Spezialität probieren: Das Tonkatsu. Wir sind bei unserem ersten richtigen Restaurantbesuch noch nervös wegen den fehlenden Sprachkenntnissen und haben Angst, beim Essen in ein Fettnäpfchen zu treten. Aber wer nicht wagt, gewinnt nichts: selbstbewusst treten wir einfach mal ein und die japanische Gastfreundlichkeit regelt den Rest. Und das panierte Schweineschnitzel mit viel Kohl enttäuscht nicht, das Fleisch vergeht uns auf der Zunge. Nur bei den Beilagen wissen wir noch nicht so genau, was wir essen und welche Sauce muss denn nun für welche Beilage verwendet werden?
Kamikochi
Nächstes Ziel ist der kleine Ort namens Kamikochi in den japanischen Alpen. Der Ort liegt in einem idyllischen Tal, das komplett unter Naturschutz steht. Die Region erinnert uns etwas an die Schweizer Berge, nur mit viel mehr Wald. Im Zug voller Japaner fragen wir uns, ob sich so wohl die Japaner im Zug nach Grindelwald fühlen? Etwas verkehrte Welt, wir haben Glück: Trotz der Regenzeit scheint die Sonne und wir haben perfektes Wanderwetter.
Wir ergreifen unsere Chance und besteigen noch am gleichen Tag den Yukedake, einen aktiven Vulkan am Eingang des Tales. Mit 900 Höhenmeter und 12 km Strecke sollte dies selbst mit Baby im Bauch ein Kinderspiel sein. Denken wir zumindest. Wir starten den Aufstieg im schwüllheissen Wald, immer mit der latenten Angst, einem Schwarzbären zu begegnen. Ein Exemplar haben wir bereits vom Bus aus gesehen. Auf die Bärenglöckchen, welche viele Japaner an ihre Schuhe binden, verzichten wir und hoffen, mit lautem Reden genug auf uns aufmerksam zu machen. Der Weg wird nun immer steiler und plötzlich erklimmen wir über Metallleitern eine Felsstufe nach der anderen. Jetzt wird auch klar, warum es viel weniger Wanderer als unten im Tal hat, die Leitern sind teilweise sehr steil und lang. Séverine hat sich den Gipfel fest in den Kopf gesetzt, also erklimmen wir die letzte, lange Leiter, bevor es an einer kleinen Hütte vorbei auf den Grat geht. Der Schlussanstieg auf den Gipfel zwischen ausströmenden Schwefeldampf wird nochmals richtig steil und etwas ausgesetzt. Séverine kommt nun richtig ins Schnaufen und muss mit der Schwangerschaft etwas mehr Pausen einlegen. Aber wir schaffen es ohne Probleme und die Aussicht vom Gipfel auf die umliegenden 3000er und die weiten Täler voller Wald ist einfach fantastisch. Einen aktiven Vulkan zu besteigen ist schon etwas Besonderes für uns. Mit Glück und viel Vorsicht kommen wir wieder heil ins Tal. Aaron tritt dabei um Haaresbreite nicht auf eine kleinere Schlange, was sie natürlich nicht so toll findet. Sie beisst zum Glück nicht, aber verfolgt ihn einige Meter bis sie ins Gebüsch verschwindet. Nach diesem Schock gönnen wir unseren Füssen im Tal ein wohlverdientes Bad im türkisfarbenen Fluss.
Nun checken wir in unserem Ryokan ein, einer traditionellen japanischen Unterkunft. Aaron geht noch eine Runde den Fluss entlang joggen, während er alle Bären Warnschilder grosszügig ignoriert. Wir haben kein eigenes Badezimmer und waschen uns im traditionellen japanischen Onsen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es schon, nackt in einem grossen Raum auf einem kleinen Holzschemel zu sitzen und sich neben anderen Personen mit Wasser aus einem Kübel zu übergiessen. Aber einmal wollten wir das schon ausprobieren. Nach dem Bad werden wir mit einem traditionellen, japanischen Abendessen verwöhnt. Es gibt Shiba Shiba, eine Art Chinoise mit sehr sehr vielen Beilagen, jeweils in einem eigenen kleinen Schälchen serviert. Das Essen sieht fantastisch aus, leider haben wir keine Ahnung, welches Schälchen was ist und in welcher Reihenfolge gegessen wird. Das Essen ist für unsere Geschmäcker etwas fade, was wohl daran liegt, dass Japaner möglichst wenig würzen, um den Eigengeschmack der Gerichte zu erhalten. Etwas überfordert, welche Beilage denn nun wie zu essen ist, versuchen wir an anderen Tischen abzuschauen. Blöd nur, sind die meisten anderen Gäste hinter Schichtschutzwänden versteckt sind. Als wir nach dem Abendessen auf unser Zimmer zurückkommen, finden wir es bereits fürs Schlafen eingerichtet: Der Tisch in der Mitte ist beiseite geschoben und die Futons sind auf den Tatami-Matten ausgebreitet. Wir schlüpfen in die bereitgestellten Pyjamas und geniessen nach dieser geballten Ladung Japan unseren Schlaf.
Früh morgens werden wir von der Sonne geweckt. Wir schieben die dünnen Balkontüren aus Bambus auf und blicken direkt auf die schneebedeckten Berge und ein Rudel Bergaffen in den Bäumen vor unserem Balkon. Was für ein Erwachen! Irgendwie passt alles unglaublich harmonisch zusammen in diesem Moment. Dazu kommt das traditionelle Frühstück, das wieder auf vielen kleinen Einzelteilen besteht. Séverine muss sich noch ein wenig überwinden, Fisch zu frühstücken. Bevor wir diesen wunderschönen Ort bereits wieder verlassen, machen wir einen kleinen Spaziergang flussaufwärts. Der Weg ist breit, aber wir sind praktisch alleine unterwegs. Wir besuchen einen idyllischen Teich, der zu einem Kloster gehört. An vielen (Baby-)Affen vorbei geht es zurück ins Dorf, wo die Tagestouristen ankommen. Es hat sich definitiv gelohnt, hier oben zu schlafen und die Stimmung am Morgen mitzunehmen.
Takayama
Mit dem Bus geht es gemütlich den Berg runter. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen sind viel tiefer als bei uns, so tuckern wir mit 30-40 km/h durch die Gegend. Wir checken in der Kleinstadt Takayama ein und machen am Nachmittag noch einen kleinen Trip zum Freilichtmuseum, dem Hida Folk Museum. Eine Art japanischer Ballenberg. Wir besuchen einige japanische Bauernhäuser aus verschiedenen Epochen und versuchen uns das Leben damals so gut wie möglich vorzustellen. Zurück in der Stadt widmen wir uns dem historischen Sanmachi Viertel, welches erstaunlich gut erhalten ist. Es ist Zuhause von vielen kleineren Shops und Essensständen. Wir essen ein Hida Sushi, welches den Reis statt mit Fisch mit lokalen Rindfleisch bedeckt – köstlich! Zum Abendessen gibt es dann Gyoza mit unterschiedlichsten Füllungen. Das sind Dumplings, welche gekocht, gebraten oder frittiert werden. Wir sind früh am Abend hungrig und stehen bei Restaurantöffnung vor der Tür und können so die Warteschlange vermeiden. In Japan ist es absolut üblich, für das Essen vor dem Restaurant anzustehen und auf einen freien Tisch zu warten. Dafür kann kein Tisch reserviert werden. Die Bestellung wird oft noch auf der Strasse aufgenommen, damit dann am Tisch keine Zeit verloren geht – japanische Effizienz pur. Das funktioniert gut, solange Aaron nicht zu hungrig ist. Es bedeutet aber auch, dass nach dem Essen nichts mit dem “gemütlich sitzen bleiben” ist. Es wird erwartet, den Tisch nach dem Essen wieder freizugeben.
Aaron dreht am nächsten Morgen eine Jogging-Runde durch den Stadtpark. Selbst hier wird vor Bären gewarnt. Ob die Bären wohl gemütlich durch die Stadt laufen und nach dem Weg zum Park fragen? Wieder im Hotel beginnt der starke Regen, der in der Regenzeit auch zu erwarten war. Trotzdem machen wir uns voller Elan auf, den Morgenmarkt von Takayama zu besuchen. Dieser besteht aber nur aus drei Ständen und fällt heute wohl ins Wasser. Na dann fahren wir halt weiter und nehmen den nächsten Zug in Richtung Kyoto. In etwas weniger als vier Stunden kommen wir in der alten Hauptstadt Japans an. Wir nehmen dazu das erste Mal den Shinkansen, den berühmten japanischen Schnellzug. Der Zug hält nur ganz kurz an den Stationen und es ist wichtig, am richtigen Ort zu stehen, da die Plätze nummeriert sind. Das funktioniert aber auch nur, weil sich in Japan alle Passagiere daran halten. In Japan kein Problem – die einzigen, die Probleme beim Ein-/Aussteigen verursachen, sind Touristen. Wir achten daher immer ultra pingelig darauf, wirklich am richtigen Ort zu stehen. Einmal eingestiegen, zieht die Landschaft ultraschnell mit über 300 km pro Stunde an uns vorbei.
Kyoto
50 Millionen Touristen besuchen Kyoto mit seinen 1.5 Millionen Einwohnern jedes Jahr. Das sind mehr Touristen als in Venedig, Paris oder Las Vegas pro Jahr. Etwas unsicher sind wir deshalb schon: ist die Stadt überbewertet und voll überlaufen oder lohnen sich die Sehenswürdigkeiten? Und von diesen gibt es wahrlich genug: Die alte Hauptstadt wurde im Krieg nicht zerstört und ist übersät von Tempelanlagen und historischen Gebäuden. Wir haben uns zweieinhalb Tage für die Stadt vorgenommen und merken bald, dass dies knapp wird. Nach dem Check-In im Hotel am Mittag starten wir gleich im Norden und machen dort einen Spaziergang von unserem Reiseführer von Tempel zu Tempel. Japanische Gärten haben einfach etwas unglaublich Harmonisches und Beruhigendes an sich. Im ersten Garten (Konchi inn) sind wir alleine. Haben wir uns die Touristenmassen zu schlimm ausgemalt? Nach dem Besuch des Viadukts bei “Nanzen Inn” besuchen wir den “Eikan do”, eine wirklich wunderschöne Tempelanlage mit grosser Holzbrücke über den kleinen Fluss und weitem Garten. Kein Wunder, dass gerade Hochzeitsfotos im Kimono, dem traditionellen japanischen Gewand, gemacht werden. Wir verweilen etwas im Garten und kommen dann wegen den besagten, kurzen Öffnungszeiten etwas in den Stress. Wir laufen über den Philosopher Pfad den Kanal zum silbernen Pavillon (Ginkaku Ji) entlang. Jetzt macht sich der lange Tag ohne grössere Mahlzeiten bemerkbar und wir schlendern mit der aller letzten Energie durch die Anlage. Zum Glück hat es beim Ausgang gleich ein Cream Puff Stand. Das sind die besten mit Vanillecreme gefüllten Puffs unseres Lebens!
Mit dem Bus und U-Bahn geht es zurück zum Bahnhof Kyoto, wo wir in der Nähe unser Hotel haben. Es ist wohl eines der grössten und verwirrensdten Gebäude, in dem wir je waren. Der Bahnhof schlägt den Zürcher Hauptbahnhof um Längen. Es ist eigentlich ein grosser Verbund von mehreren Bahnhöfen, da es in Japan unterschiedliche Zugbetreiber mit jeweils eigenem Ticketsystem und Gleisen gibt. Wir essen in der Nähe in einem Grillhaus, wo wir das marinierte Fleisch auf einer Art Grill auf unserem Tisch grillen. Warum es in Japan immer eine Riesenportion Kohl dazu gibt, haben wir noch nicht herausgefunden, das Essen ist aber einfach köstlich.
Um die Touristenmassen zu entgehen, stehen wir früh auf. Richtig früh. Die Sonne geht schon kurz nach 4 Uhr auf und wir nehmen den ersten Zug um 5:33 Uhr, um zum Fushimi Inari Schrein zu fahren. Dieser ist für seine roten Torri Toren weltberühmt und eine der Hauptsehenswürdigkeiten Japans. Wir haben den Aufstieg durch die abertausenden von Toren auf den 233 Meter hohen Hügel fast für uns alleine. Je höher wir kommen, desto mythischer wird im Wald und Nebel die Morgenstimmung. Nach etwas über einer Stunde mit vielen Fotostopps stehen wir auf dem Gipfel. Viel Aussicht hat es nicht, ist aber auch gar nicht nötig – der Weg ist das Ziel.
Wieder unten gehen wir mal richtig frühstücken und laufen durchs Wohnquartier weiter zum Tōfuku Tempel in der Nähe. Der Tempel hat einen wunderschönen Garten und ist definitiv auch einen Abstecher wert. In den paar Minuten im Zug zurück in die Stadt schläft Séverine direkt ein. Im Gion Quartier besuchen wir den nächsten Tempel (Kennin Jii), welcher ein cooles Drachen Bild an der Decke hat. Dieses ist aber relativ neu und durch Anime Serien inspiriert. Nun brauchen wir wieder eine Stärkung – warum also nicht mal die japanischen Omeletten Tamagoyaki probieren? Dazu passt das völlig crazy eingerichtete Restaurant “Issen Yoshoku” in Gion. Es ist vollgestopft mit Puppen, Zeichnungen und Kuckucksuhren. Zum Glück will die lebensgrosse Puppe an unserem Tisch nicht mitessen.
Frisch gestärkt geht es nun kreuz und quer durch die Gassen des Gion Quartier. Für Aaron ist alles etwas “zu herausgeputzt” und mit Tourgruppen überlaufen. Auf den Strassen fallen uns zudem die vielen Kimonos auf, welche von Touristen an jeder Ecke gemietet werden können. Dazu gehört oft auch ein professionelles Fotoshooting. Viele Japaner haben solche Fotos von sich zuhause. Wir schlendern etwas durch die Shops und Séverine kauft sich ein Brillenetui als Souvenir. An der nächsten Ecke reihen wir uns wie die Schafe in den nie endenden Strom an Menschen ein, der sich zum Kiyomizu Tempel hinauf schlängelt. Der Tempel über der Stadt ist DIE Sehenswürdigkeit Kyotos. Wir lassen uns von der Masse mitreissen und besuchen sowohl den Tempel als auch die Baby Pagode etwas abseits.
Langsam steigen wir wieder in die Stadt ab und besuchen die Pagode des Hōkan-ji Tempels – immerhin das Titelbild unseres Reiseführers. Wir sind selber erstaunt, noch immer Energie zu haben und so laufen wir noch zur Innenstadt und besuchen den Nishiki-Markt, wo es viel Streetfood und umso mehr Touristen zu bestaunen gibt. Nun haben wir aber genug von den vielen Menschen und es zieht uns ins Hotel zurück. Im nahegelegenen Hauptbahnhof gibt es wohl hunderte Essensmöglichkeiten, wovon wir wiederum ein Tonkatsu Restaurant auswählen. Es befindet sich im 10. Stock des Bahnhofes, welcher einem Raumschiff aus Star Wars ähnelt. Die passende Lichtshow gibt es am Abend auch dazu, fehlt nur noch Dark Vader, der um die Ecke biegt. Wir lassen den Tag nun an der Hotelbar ausklingen.
Wieder früh morgens besuchen wir das Arashiyama Viertel, etwa 15 Zugminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Wir laufen direkt zum Bamboo Wald und fragen uns nach den 200 Metern Bambuswald, ob dies wirklich alles ist? Bambuswald gibt es überall auf dieser Welt, aber dieses Stück wurde offenbar aus einem unerfindlichen Grund in alle Reiseführer aufgenommen und auf Instagram berühmt. Tja, dann laufen wir halt zum “Otagi Nenbutsuji” Tempel, etwa 30 Minuten entfernt. Der Weg ist mit schönen, traditionellen Holzhäusern gesäumt. Kurz vor Öffnung um 8 Uhr kommen wir an und wir sind sofort fasziniert von den Hunderten kleinen Steinfiguren. Jede der Figuren ist unterschiedlich in Stein gehauen und mit Moos und Pflanzen überwachsen. Die Figuren sind noch nicht besonders alt und repräsentieren jeweils das Hobby oder die Leidenschaft der unterschiedlichen Steinhauer. Wir nehmen uns richtig Zeit für die Figürchen, bevor wir mit dem Bus zurückfahren. Der Bambuswald ist mittlerweile überlaufen und wir besuchen noch den Tenryū Tempel mit seinem grossen Teich. Irgendwie ist der Rummel riesig und wir vermissen die Ruhe in den Tempeln, wie wir sie am Vortag erlebt haben. Beim goldenen Pavillon (Kinkaku-ji), den wir mit einer weiteren Zug- und Busfahrt erreichen, ist es nicht ruhiger. Das war ja zu erwarten. Aber der mit Goldplättchen bedeckte Pavillon ist wirklich hübsch anzusehen und den Abstecher noch wert.
Zu all den Touri-Sehenswürdigkeiten gehört natürlich auch ein richtiges Touri-Mittagessen. Wir machen Halt im Menbaka Ramen Restaurant und stehen dort eine gute Stunde an. Warum? Weil die Ramen hier vor dem Essen mit heissem Öl übergossen werden und vor uns auf dem Tisch brennen. Das Ganze heisst “Fire Ramen” und ist in erster Linie eine riesige Show. Wir staunen nicht schlecht, als uns der “Boss” die Sicherheitshinweise in Tafeln auf Deutsch vor die Nase hält: Hände nach hinten und nicht in Panik verfallen, falls man zu brennen beginnt. Alles klar. Selbst an Smartphone-Halter für das obligatorische Video wurde gedacht. Als dann einem Touristen neben uns sogar ein Halter fürs Handy über die Schulter gelegt wird, damit er die Hände nicht vor sich hält, müssen wir lachen. Alles in Allem ein Riesenspass. Anschliessend brauchen wir einen Mittagsspaziergang. Da bietet sich die nahegelegene Burg von Kyoto (Nijō) an. Wir schlendern durch die unzähligen Räume und den weiten Garten. Die Anlage ist mit mehreren Burggräben, Toren und Palästen sehr weitläufig, gut erklärt und spannend zu besichtigen.
Nun sind wir mit unserem eigenen Sightseeing Programm von Kyoto durch. Wir sind auch etwas durch. Die Stadt hat wirklich viel zu bieten und ist zu Recht ein Touristenmagnet, die 2.5 Tage gingen im Nu vorbei. Jetzt bleibt noch etwas Zeit für Shopping und ein weiteres japanische Omelette in einer kleinen Quartierbeiz um die Ecke. Die Beiz ist zwar leer und ohne englische Karte, aber mit etwas Mut, Neugier und einem Lächeln betreten wir den kleinen Raum und erhalten dafür ein super feines Essen und ein Lächeln zurück. Und es ist erst noch viel persönlicher und günstiger als in einem der grösseren Restaurants.
Nara
Eine knappe Zugstunde von Kyoto entfernt liegt Nara. Wir schliessen unser Gepäck im Schliessfach des Bahnhofs ein und wollen die für japanische Verhältnisse kleine Stadt für einen Tag erkunden. Nara war lange ein wichtiges Zentrum des Landes, vor allem wegen dem “Tōdai-ji”, einem Tempel mit riesiger Buddha-Statue. Imposant ist vor allem die Halle rund um die Statue, das grösste Holzgebäude der Welt. Daneben liegen zig andere Tempel, wobei der “Hokkedō” von seiner Terrasse einen guten Blick über die Stadt bietet. Nachdem wir den Schrein von Kasuga-Taisha mit seinen hunderten Laternen besucht haben, brauchen wir eine Pause. Wir erholen uns etwas im nahegelegenen Park.
Bei der goldenen Halle zahlen wir nochmals Eintritt, den wir uns auch hätten sparen können, da gibt es nicht viel zu sehen, klassische Touristenfalle. Die Touristenmassen in Nara sind vor allem damit beschäftigt, Selfies vor den Rehen zu machen, während sie die Tiere mit Keksen vollstopfen. Das lassen wir sein und machen noch einen Abstecher ins Naramachi Quartier. Das wirkt aber wie ausgestorben und wir haben etwas Mühe, bis wir ein geöffnetes Cafe finden, wo Séverine dann gleich einen French Toast in Katzenform bestellt.. Eine Strasse weiter finden wir dann den Trubel: Alle Besucher sind in der überdachten Einkaufsstrasse zu finden, uns aber zieht es weiter nach Osaka.
Osaka
Die 20 Millionen Metropole ist neben Tokyo das zweitgrösste Ballungszentrum des Landes. Wir fahren direkt mitten ins Zentrum. Die paar Hundert Meter vom Bahnsteig zum Hotel haben es in sich. Die Stadt ist unglaublich dicht, oftmals mehrstöckig und es eine Herausforderung den Weg durch die verschiedenen Gebäude, über Passerellen, Unterführungen und Durchgänge zu finden. Aaron kommt die Navigation schwieriger vor als in den Schweizer Bergen und ohne Google Maps wären wir ziemlich aufgeschmissen. Eine Unterkunft in der Nähe des Bahnhofes ist in Japan aber praktisch, so erreichen wir alles sehr schnell und haben zig Essensmöglichkeiten. Erst nach einem Nachmittagsschläfchen im Hotel reihen wir uns wieder in die Warteschlange fürs Tonkatsu Restaurant ein. Mit über 30 Jahren auf dem Buckel braucht man als Backpacker halt auch etwas mehr Pausen. Dafür laufen wir pünktlich zum Sonnenuntergang die Strecke zum Umeda Sky Tower, wo wir mit dem Lift in den 35. Stock fahren. Die letzten vier Stockwerke geht es dann mit Aussen-Rolltreppen weiter. Auch dieses Gebäude könnte ein Raumschiff aus Star Wars sein. Die Aussicht auf die Stadt ist top, 360 Grad sehen wir nur endlose Häuser im Abendrot. Viel Platz für die Natur bleibt in einer Stadt wie dieser nicht übrig. Wir sind einfach nur froh, unser Hotel wieder zu finden.
Eigentlich sind wir nur aus einem Grund in Osaka: Die Universal Studios of Japan. Einer der grössten und meistbesuchten Themenparks in Asien. Wir sind am Eingang etwas nervös, ob wir ohne ausgedrucktes Ticket in den Park kommen. Wir können dann aber ohne Probleme ins Vergnügen spazieren. Nach einem Spaziergang durch Hollywood, vorbei an den Minions geht es nach Jurassic World. Wir wagen uns auf die Wasserbahn und werden beide richtig nervös, als das kleine Boot immer weiter herauf gezogen wird. Von aussen war die grosse Höhe nicht zu sehen, da die Bahn im Innern eines Gebäude versteckt ist. Der kurze Fall und die anschliessende Dusche überstehen wir und das Baby aber unbeschadet. Es beginnt etwas zu regnen und wir besorgen uns einen Snoopy Poncho, natürlich mit kleinen schwarzen Öhrchen. Auf die anderen, strüberen Achterbahnen gehen wir aus offensichtlichen Gründen nicht. Wir gönnen uns eine amerikanische Pizza und warten auf die Parade. Im strömenden Regen tanzen die kostümierten Mitarbeiter durch den Park – teilweise auf sehr lustigen Gefährten. Von Pikachu bis Sesamstrasse ist alles dabei. Dazu passt das superfeine Minions Popcorn mit Creme Brulé Geschmack.
Wir haben uns einen Express Pass gegönnt und können nun in die Hauptattraktion: die Super Nintendo World. Und es ist Wahnsinn! Wir besorgen uns eine Mario Uhr und Séverine beginnt fleissig Punkte zu sammeln. Als wir dann auch noch mit 4D Brillen die Bahn “Marios Koopa Challenge” besuchen, fühlen wir uns vollständig in Mario Kart. Weiter geht es mit der gemütlichen Bahn von Yoshi. Dabei stehen wir das erste Mal im Park mit 40 Minuten etwas an. Zeitweise stauen sich im Park aber die Menschen bis zu 300 Minuten in Warteschlangen – aus diesem Grund haben wir einen Montag für einen Besuch ausgewählt. Das Mario Land ist aber auch an einem Montag sehr gut besucht und wir sammeln weiter fleissig Punkte.
Nachdem wir uns sattgesehen haben – wir könnten einen ganzen Tag nur im Mario Land verbringen – wechseln wir nach Hogwarts. Faszinierend anzusehen, wie eine Fantasie einer Schriftstellerin Gestalt annehmen kann. Neben dem Schloss und dem Dorf ist auch der Hogwarts-Express in “Orignal”-Grösse vorhanden. Mit dem wohl verrücktesten Job, den man als Engländer in Japan ausführen kann: Bahnhofsvorsteher des Hogwarts Express. Der Schauspieler macht seine Sache gut und spielt nonstop die Abfahrt des Zuges vor. Wir essen einen englischen Pie und schauen der mehreren hundert Meter langen Warteschlange für ein Butterbier zu. Aaron fährt – wieder dank Express Pass ohne Anstehen – mit der Harry Potter Bahn durchs Schloss. Die Bahn ist wirklich sehr gut gemacht und es entsteht der Eindruck, selber mit dem Besen durch Hogwarts zu fliegen. Séverine muss wegen den vielen abrupten Bewegungen der Bahn draussen warten und für Aaron war es wohl auch nicht die beste Idee, die Bahn NACH dem Essen zu besuchen. Wir schlendern noch etwas durch den Kinderteil des Parkes und ziehen dann müde, aber sehr glücklich weiter.
Osaka ist offenbar die Partyhauptstadt des Landes. Zeit für einen kleinen Abstecher ins Dotonbori Viertel, wo sich Shopping-Meilen und Bars abwechseln. Wir essen ausnahmsweise mal bei einem authentischen Thai nicht japanisch zu Abend. Im hellen Licht der Leuchtreklamen kommt auf der “Ebisu bashi”-Brücke die ganze Welt zusammen. Aaron probiert die Teigbällchen mit Oktopus Füllung. Die sind zwar fein, als Dessert aber etwas zu schwer. Wir laufen dann an einem Spielpalast vorbei, der auch Karaoke-Räume vermietet. Etwa sehr Japanisches, was wir unbedingt mal probieren wollen. Vorbei an der Pachinko Halle (japanisches Glücksspiel, lauter als jede Halle in Las Vegas) geht es in den 4. Stock. Der Automat spricht nur japanisch, aber der Angestellte hilft uns gerne beim Check In. Wir bestellen Getränke, buchen einen Raum und der Angestellte hilft uns, alles auf Englisch umzustellen. Wir beginnen mit Backstreet Boys zum Aufwärmen. Die Getränke kommen, “Cola Flow” ist offenbar Cola mit einer Vanille-Eiskugel – interessant. Wir sind noch etwas überfordert und haben kein Echo vom Mikro – der Angestellte hilft aber wieder gerne. Séverine blüht als Sängerin auf, wenn Aaron singt, müssen eher die Ohren zugehalten werden. Aber vielleicht hilft ja mehr Bier, was über ein Tablet geordert werden kann. Am Schluss bleiben wir viel länger als gedacht und haben immer mehr Ideen, was wir noch singen können. Nach über 14 Stunden unterwegs kommen wir im Hotel an – was für eine Stadt, was für ein Tag!
Himeji
Nach so viel Fun rückt wieder die Geschichte des Landes ins Zentrum. Es steht der Besuch der ältesten und besterhaltenen Burg von Japan auf dem Programm. In etwas über einer Stunde – ausnahmsweise mit Verspätung – geht es nach Himeji. Jetzt wird’s mit gegen 40 Grad am Mittag richtig heiss, wir schwitzen nur schon vom Rumstehen und der flache, kurze Weg vom Bahnhof zur Burg wird zur Anstrengung. Das wird nicht besser, als wir über steile Treppen in den sechsten Stock der Burg hochsteigen. Klimaanlagen gibt es natürlich auch nicht. Immerhin ist die Aussicht top und es windet ein kleines bisschen. Über Lautsprecher kommen Durchsagen des Katastrophen Dienstes, man solle denn ja genug trinken. Die Burg ist mit ihren massiven Befestigungsanlagen beeindruckend, kein Wunder wurde sie nie eingenommen. Wir geniessen das Eis am Ausgang und besuchen noch die benachbarten Gärten, in denen es wieder von Killer-Kois wimmelt. Wir beobachten, wie diese erfolglos versuchen, einen grossen Frosch zu essen. Aaron probiert lieber die Algen-Reis Dreiecksdinger aus dem Supermarkt. Die Verpackung ist genial, um die Dinger haltbar zu machen, aber zu kompliziert zum Öffnen für Touristen wie uns.
Hiroshima und Miyajima
Die Stadt ist wohl allen Menschen auf der Welt ein Begriff. Bevor wir uns aber der Stadt selber widmen, besuchen wir die Insel namens Miyajima vor der Stadt. Wir stehen wieder sehr früh um 5 Uhr auf und fahren eine ganze Stunde Tram, bis wir den Fährhafen erreichen. Damit wollen wir sowohl den grossen Touristenmassen wie auch der Hitze am Mittag ausweichen. Hiroshima hat im Gegensatz zu den anderen Städten keine U-Bahn, sondern ein Tram System. Wenn man nun aber alle 150 Meter eine Tramhaltestelle baut, dann dauert eine Fahrt auf die andere Seite der Stadt ewig. Die Einwohner scheinen es gemütlich zu nehmen und das nicht zu stören. Wir besuchen den Itsukushima-Schrein mit seinem viel fotografierten Tor im Wasser. Im Daishoin Tempel mit seinen hundert kleinen Buddhafiguren mit Strickmütze sind wir die einzigen Besucher. Nun wollen wir mit der Gondelbahn auf den höchsten Gipfel der Insel fahren, merken aber, dass diese gerade geschlossen ist. Dann müssen wir halt laufen. Sind zwar nur 500 Höhenmeter – bei diesen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit ist dies aber eine grosse Anstrengung, besonders für Séverine. Als wir kurz vor dem Gipfel dann noch einer kleinen Schlange begegnen, wird die Stimmung nicht besser. Immerhin handelt es sich nicht um eine dieser tödlichen Vipern, von denen mit Plakaten gewarnt wird. Nach 1h 15 Minuten sind wir oben. Die Aussicht von der Holzplattform auf dem Gipfel ist fantastisch: Wir haben eine 360 Grad Rundumsicht auf die Inselwelt und die Küste. Sogar mal mit blauem Himmel. Das ändert sich beim Abstieg aber drastisch: Plötzlich stehen wir unter einem Gewitter und wie in einer Dusche. Unterstand gibt es nicht, es bleibt uns nichts anderes übrig, als einfach weiterzulaufen. Da helfen unsere Regenjacken und Goretex Schuhe auch nicht mehr weiter. Als wir im Dorf ankommen, merken wir, dass selbst unsere Pässe und das Geld nass wurden. Immerhin gibt es jetzt ein Sandwich und einen guten Kaffee zum Aufwärmen. Wir nehmen die Fähre aufs Festland und wollen wie gewohnt unsere Zugpässe beim Gate durch den Automaten lassen, als diese stecken bleiben. Ups, sind wohl auch nass geworden. Die beiden Angestellten kommen sofort zu springen und fischen den zerknitterten Pass im Nu aus der kompliziert aussehenden Maschine. Am Hauptbahnhof machen wir einen traurigen Blick und zeigen die kaputten Pässe. Wir werden sofort durchgelassen und erhalten am Schalter neue Pässe. Den Rest vom Tag machen wir unseren Nachmittagsschlaf und Aaron geht noch eine Runde joggen.
Das Essen in Japan ist weiterhin top. Wir laufen aber auch gezielt Restaurants mit guten Bewertungen auf Google an. In Hiroshima gibt es wieder Okonomiyaki, die japanischen Omeletten mit viel Kohl und Nudeln. Auch Ramen mit Udon Nudeln oder für Séverine Udon Nudeln in Carbonara Style sind top. Wir schaffen es sogar, zwei mal essen zu gehen, ohne anzustehen.
Im Peace Museum besuchen wir die Ausstellung zum Atombombenabwurf über der Stadt. Sie erzählt die persönlichen Geschichten der vielen Einwohnern der Stadt und geht erst anschliessend auf den Kontext im Krieg ein. Mit uns besuchen Hunderte japanische Schüler das Museum. Das Ganze ist berührend und gleichzeitig äussert bedrückend. Der eine oder andere Besucher verdrückt dann auch eine Träne. Wir besuchen den “Atom Bombe Drome”. Ein Gebäude, das bewusst im Zustand nach der Explosion gelassen wurde. Alles zusammen ein starkes Monument gegen Atomwaffen.
Fukuoka
Wir fahren mit dem Shinkansen Schnellzug von der Hauptinsel Honshu auf die südliche Insel Kyushu. Die fast 300 Kilometer bringen wir in 1 Stunde 10 Minuten hinter uns. Schneller als jeder Flug, mit dem Auto hätten wir gemäss Google Maps über 4 Stunden. Wir werden immer mehr Fans von diesem Zugsystem – wenn wir doch so etwas Ähnliches nur in Europa hätten!
Fukuoka, die nächste Grossstadt. Wir sind mittlerweile etwas Grossstadt-müde geworden. Die Städte und Bahnhöfe beginnen sich zu ähneln. Wir drehen eine Runde und besuchen zwei Tempelanlagen und bestaunen die Schreine, welche im Juli bei einem Rennen durch die Strassen gezogen werden. Ansonsten widmen wir uns wieder dem japanischen Essen: Fukuoka ist berühmt für Ramen, dessen Brühe stundenlang mit Schweineknochen gekocht wird. Wir probieren zuerst ein Restaurant mit Automat aus, bei dem die Ramen individuell angepasst werden können. So kann der Schärfegrad, die Festigkeit der Nudeln oder zusätzliche Zutaten gewählt werden. Gegessen wir an der langen Theke, die mit Holzabtrennungen unterteilt ist. Wer nicht satt ist, kann direkt nachbestellen. Und die Ramen sind richtig, richtig gut. Die besten Ramen, die wir je hatten. Auch das Abendessen in einer kleinen Quartierbeiz enttäuscht nicht, dort werden wir etwas persönlicher bedient. Als wir auf dem Rückweg beim Irish Pub “The Ship” vorbei laufen, kann Aaron dem Guinness nicht widerstehen. Und sogar die Fries sind besser als alle, die wir in Irland gegessen haben.
Kyushu
Roadtrip durch Japan! Wir haben uns ein kleines Auto gemietet und fahren morgens von der Autostation am Flughafen los. Aaron ist etwas nervös, Linksverkehr und japanische Städte, kommt das gut? Die japanische Freundlichkeit und Rücksichtnahme im Verkehr regelt das aber von alleine. Es regnet sehr stark, die Wetteraussichten sind gar nicht gut. Also entscheiden wir uns, einfach zwei Wasserfälle auf dem Weg zur Unterkunft in den Kuju Bergen zu besuchen. Das Auto fahren klappt gut, der Regen ist aber ziemlich beängstigend. Der erste Wasserfall ist schön, aber auch nicht spektakulär. Der zweite Wasserfall ist leider geschlossen, es hat wohl zu viel Wasser. Wir gehen stattdessen im nahegelegenen Dorf in einer kleinen Beiz etwas essen. Und es ist fantastisch. Das Ramen, die Dumplings und der Reis sind der Wahnsinn. Egal wo man in Japan ist, man findet immer irgendwo sehr gutes Essen. Wir fahren weiter über den Pass zu unserer Unterkunft: es giesst wie aus Kübeln, mit dem Wind auch horizontal. Und das nicht nur eine Stunde, sondern den ganzen Tag. Wir haben ja schon viel Monsunregen gesehen – aber so etwas ist wirklich beängstigend. Wir sind einfach nur froh, im sicheren Hotel angekommen zu sein. Wir probieren die privaten Onsen aus, die aber etwas schmuddelig sind. Als dann noch eine Warnung zur Evakuierung der Behörden auf dem Handy erscheint, sind wir sehr beunruhigt. Der Hotelbesitzer spricht kein Wort Englisch, versichert aber mit seinem Übersetzungsgerät, das Hotel sei sicher. Wir machen uns mit den bereitgestellten Zutaten ein Sukiyaki (Eintopf) auf dem Zimmer und versuchen, so gut es geht zu schlafen.
Es schüttet die ganze Nacht und den ganzen Morgen wie aus Kübeln weiter – wie kann nur so viel Regen fallen? Wir wollen einfach nur weiter und fahren zum Glück problemlos über den Pass zurück und sind nun einfach erleichtert, aus der Gefahrenzone zu sein. Séverine findet wieder ein fantastisches Udon-Nudel-Restaurant. Wo findet sie nur immer diese guten Restaurants? Wenn wir nicht wandern können, essen wir halt. Der Regen lässt etwas nach und wir fahren noch zu einem Wasserfall. Dieser führt extrem viel Wasser und als einzige Personen weit und breit ist es uns etwas unwohl. Dann gehts halt wieder früh ins Hotel heute. Wir haben zwei Tage ein super Hotel mit Halbpension unterhalb des Aso Vulkans gebucht. Aaron dreht das erste Mal eine Joggingrunde ohne zu überhitzen und dann schlagen wir uns die Bäuche am Buffet voll. Kyushu haben wir uns irgendwie anders vorgestellt.
Dichter Nebel bedeckt die Berge, als wir den Vorhang zur Seite schieben. Wieder ein Tag im Hotel? Aaron findet dann aber eine Webcam mit Sonne – ausgerechnet dort bei diesem Pass, wo es uns in den letzten Tagen so verschüttet hat. Wir warten keine Sekunde und fahren zurück. Voller Vorfreude beginnen wir die Wanderung auf den Mount Kuju. Am Anfang hat es sogar Sonne, dann zieht der Nebel von beiden Seiten zu – sind wir zu spät und war es das schon wieder? Der Blick aufs Regenradar zeigt keinen Regen – also weiter auf den Gipfel! Als wir nach gut 2 Stunden oben stehen, öffnen sich die Nebelschleier etwas und wir sehen sogar die Berge nebenan. Nach den letzten Tagen sind wir schon mehr als zufrieden und das ist mehr als wir uns erhofft haben. Wir entscheiden uns spontan, doch noch den nahegelegenen Nakadake Gipfel zu besteigen. Es ist immerhin der höchste Gipfel der Insel. Es geht auf einem schmalen Pfad wieder runter und Séverine achtet gut auf allfällige Schlangen. Beim Aufstieg haben wir nämlich eine Schlange gesehen und im Gegensatz zu den kleinen Schlangen auf der Hauptinsel war diese jetzt dicker und sah gefährlicher aus. Wir kommen sicher beim kleinen Bergsee und auf dem Gipfel an. Und kurz bevor wir den Gipfel erreichen, reist die Nebeldecke auf und wir stehen in der Sonne. Wir sehen bis ins “Flachland” und über den türkisblauen See. Nach all dem Regen sind wir ultrahappy.
Der Abstieg ist dann schnell hinter uns gebracht und als wir auf dem Rückweg sind, zeigt sich auch der Mount Aso in seiner ganzen Grösse. Dann müssen wir diese Gelegenheit am Schopf packen und dorthin fahren! Wir stärken uns in einem 7 Eleven und Aaron probiert zum ersten Mal den Fruchtsmoothie aus: ein Becher gekühlte Früchte wird in einen Automaten gestellt und der Rest passiert automatisch, die Automaten in Japan sind einfach lustig. Wir fahren mit dem Auto direkt bis ganz nach oben zum Kraterrand des Aso. Das kostet zwar etwas, ist aber sehr bequem. Es sind dann nur noch einige Schritte bis zum Kraterrand. Wir sehen direkt in den Kessel eines der aktivsten Vulkane der Welt, welcher etwas Dampf von sich gibt. Cool, aber mit all den bombensicheren Unterständen neben uns auch etwas unheimlich. Wir laufen etwas durch die surreale Vulkanlandschaft. Auf den Gipfel reicht es aber nicht mehr, mittlerweile ist es schon später Nachmittag. Aber immerhin haben wir den Krater ohne Nebel gesehen! Dieser zieht dann wieder auf, als wir noch Halt bei den beiden Seen etwas unterhalb des Kraters machen. Aber alleine die Fahrt runter ins Hotel ist unglaublich schön.
Am nächsten Tag wieder das bekannte Bild: Es regnet aus Kübeln. Aaron interpretiert die Wetterwarnungen so, dass es im Süden etwas besseres Wetter ist. Wir fahren also in Richtung Süden und erleben den wohl mühsamsten Tag unserer Reise, wenn nicht auf all unseren Reisen. Zuerst ist die Autobahn gesperrt und unser Navi führt uns im Kreis durch immer kleiner werdende Strassen einer Grossstadt. Es schüttet aus Kübel, der Verkehr und die Ampel sind kaum zu erkennen. Als wir das dritte Mal beim gleichen Spital vorbei kommen, weiss Séverine nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Wir machen Halt und warten ab (oder geben auf). Nach einem Kaffee sehen wir dann den Grund für die Sperrung: der grosse Fluss vor der Stadt ist über die Ufer getreten, wir befinden uns mitten in einem Überschwemmungsgebiet im Stau. Nicht ein Ort, wo man seine Ferien verbringen sollte. Wieder auf der Autobahn wird es nicht besser: Oftmals ist das Auto vor uns kaum im Regen zu erkennen und in den grossen Pfützen wird das Fahren zunehmend gefährlich. Als wir dann noch von der Feuerwehr zurückgeschickt werden, weil eine Unterführung geflutet ist, wissen wir nicht mehr so recht weiter. Wir befinden uns nun noch 14km von der reservierten Unterkunft weg, trotzdem überlegen wir uns umzukehren – dann müssten wir aber den ganzen, gefährlichen Weg wieder zurück. Wir entscheiden uns, weiter zu fahren. Über kleine, zunehmend überflutete Strassen, teils gefährlich nahe an braunen, reissenden Bächen erreichen wir das Ziel. Das Wetter hat uns richtig “verarscht”: Im Süden ist nun Sturm, im Norden das beste Wetter. Wir haben dafür eine coole Unterkunft: ein ganzes Waldhaus für uns alleine. Cool, aber was wollen wir hier? An Wandern im nahegelegenen Nationalpark ist nicht zu denken. Der Regen lässt etwas nach und wir gehen auswärts essen. Wir wagen es in ein italienisches Restaurant in Japan. Sicher nicht die beste Pasta, aber gut für unsere Moral. Wir sind einfach nur froh ein sicheres Dach über dem Kopf zu haben. Der Blick auf die Webcam des Nationalparks am nächsten Morgen zeigt dann auch nur Nebel an. Nach einigem hin und her entscheiden wir uns, schon am selben Tag wieder nach Fukuoka im Norden zu fahren und unseren Roadtrip zu beenden. So haben wir keine Lust mehr. Am nächsten Tag ist wieder Starkregen gemeldet, eine weitere Autofahrt mit diesen Bedingungen wollen wir vermeiden. Und wenn wir nicht wandern können, dann können wir in der Stadt wenigstens gut essen. Die Rückfahrt ist dann problemlos, wir fahren souverän in die Grossstadt rein ohne uns zu verirren. Und auch das Tanken klappt mit etwas Hilfe problemlos. Wir bekommen von der Unterkunft und von der Autovermietung sogar Geld zurück, obwohl wir früher abreisen als reserviert. Die Gastfreundlichkeit der Japaner ist wirklich nicht zu übertreffen.
Mit unserer Planänderung haben wir einen weiteren Tag in Fukuoka. Wir gehen es ruhig an und schlafen zuerst mal richtig aus und schlendern ins riesige Shopping Center “Canal City”. Beim Kinokomplex im siebten Stock fragen wir uns, ob wohl Filme auf Englisch gezeigt werden. Eine Nachfrage beim Personal, welches nur Japanisch spricht, bestätigt das. Wenig später haben wir zwei Tickets für Indiana Jones, eine riesige Portion Popcorn und zwei Getränke für umgerechnet etwas mehr als 20 Franken in der Hand. Im Kino sind wir trotz Mittagszeit nicht alleine. Aber bei den Trailern auf Japanisch fragen wir uns dann schon ob der Film wirklich auf Englisch gezeigt wird oder wir uns an der Kasse wohl doch falsch verstanden haben. Kommt dann aber alles gut und wir geniessen den Film ohne Pause. Den Rest des Tages lassen wir uns es im Ramen Restaurant und im Pub gut gehen. Wir essen eigentlich nie zwei Mal am gleichen Ort beim Reisen, aber dieses eine Ramen Restaurant überzeugt uns einfach.
Ishigaki
Ferien von den Ferien. Nach all der Aufregung und Sehenswürdigkeiten geht es nun auf die Inselgruppe Okinawa, gut 1500 km weiter südlich im Pazifik. Wir werden die nächsten fünf Nächte auf der kleinen Insel namens Ishigaki verbringen. Sie ist nur 35 km mal 20 km gross und hat rundherum ein herrliches Korallenriff. Sie bietet uns genau das richtige Babymoon Feeling. Als wir mit dem auf die Minute pünktlichen Flug ankommen, sind wir einfach nur froh, regnet es nicht mehr. Wir schlafen im “Sunset Cove”, etwas im Norden der Insel, vom Zimmer haben wir einen Meerblick, zum Pool und Strand sind es nur wenige Schritte – was wollen wir mehr? Wir geniessen einfach den Ausblick, den Pool, das Essen im Restaurant und den einsamen Sonnenuntergang am Sandstrand nebenan.
Die Insel hat eigentlich praktisch nur japanische Touristen, welche alle in der einzigen Stadt der Insel schlafen – die wenigen ausländischen Touristen sind gefühlt alle in unserem Hotel. Auch der Besitzer ist Amerikaner, somit haben wir das erste Mal auf dieser Reise nicht mehr das Japan-Feeling. Der ÖV auf der Insel ist richtig schlecht, wir können im Hotel aber ein Auto mieten. Und was für eins: ein richtiges japanisches Box Truckli in türkiser Farbe. Es hat die Grösse eines Kleinwagens aber fährt sich wie ein Lastwagen ohne Servolenkung, das ist ultra lustig und irgendwie entschleunigend.
Wir fahren erst mal zum Yonehara Strand zum Schnorcheln. Bei einer älteren Dame in einem kleinen Shop mieten wir uns die Ausrüstung. Direkt vom Strand geht es ins Riff und gleich beim ersten Schnorcheln sehen wir eine Meeresschildkröte, Fische in allen Formen und Farben und eine Wasserschlange. Wir sind zwar nicht so Wasserratten aber absolut begeistert! Die Schlange stellt sich gemäss Google als gemeiner Plattschwanz heraus, eine hochgiftige aber scheue Spezies. Wir merken nun auch die starke Sonne, die uns hier erbarmungslos wie auf einem Grill brät. Das Level der UV Strahlen ist um die Mittagszeit auf der allerhöchsten Stufe “extreme”. Wir müssen uns gut schützen und werden trotz dreimaligen (!) Eincremen dunkelbraun. Kein Wunder, wir befinden uns in etwa der Höhe der Sahara – mitten im Hochsommer!
Die Gezeiten sind auf Ishigaki stark ausgeprägt und wir planen unsere Tage entsprechend: das Schnorcheln bei Ebbe macht keinen Sinn, das Riff ist dann nur noch teilweise im Wasser. Wir erkunden weitere Orte auf der Insel und beginnen mit der Bucht von Kabira, dem Postkartenmotiv Nummer eins. Der Strand ist türkisblau aber voller Schiffe. Wir spazieren etwas auf dem weissen Sand, sterben aber fast den Hitzetod. Abhilfe schafft ein feines Smoothie mit Ananas und Mango, angebaut auf der Insel. Zeit, uns wieder ins Wasser zu legen. Am Sukuji Strand gibt es einen mit Netzen abgetrennten Schwimmbereich. Bei aktuellen Wasserstand ist dieser zwar nur 30 cm tief und gleicht einem grossen Pool. Die Netze dienen als Schutz gegen unliebsame Meeresbewohner wie die Würfelqualle. Uns wird aber versichert, dass die gefährlichen Tiere eigentlich sehr selten seien. Wir machen unseren Mittagsschlaf am Strand und fahren dann nach Ishigaki City, der einzigen “Stadt” der Insel zum Einkaufen. Im grossen Supermarkt finden wir Blüberliwasser, Cola und Bier und schauen uns etwas die japanischen Produkte genauer an – mit der Übersetzungsapp mit Bilderkennung funktioniert das sehr gut.
Wir wären nicht wir, wenn wir nicht mindestens einen Gipfel der Insel bestiegen. Ob das bei diesen Temperaturen und Sonneneinstrahlung wohl eine gute Idee ist? Zum Glück gibt es den Nosokodake, ein Gipfel auf dem wir fast hinauffahren können. Es bleibt ein ca. 15 Minütiger, sehr steiler Aufstieg durch den dichten Dschungel. Auf den ersten Metern hängt auch schon eine fette Spinne direkt am Weg – ob wir wohl daran vorbei kommen? Ist dann aber kein Problem, sie lässt uns problemlos durch. Auf dem Gipfel haben wir dank einigen Felsten ohne Bäume eine schöne 360 Grad Aussicht. Und gleichzeitig weht ein kühler Wind – was wollen wir mehr? Beim Runterfahren sieht Séverine dann auch noch den Ishigaki Adler, das Wappentier der Insel, in den Bäumen.
Weil das Schnorcheln so schön ist, zieht es uns am nächsten Morgen wieder an den gleichen Strand zurück. Wir sehen an diesem Tag zwar “nur” Fische, diese aber in allen Formen, Farben und Grössen. Nach dem Schnorchel-Stopp ist der wildere und unbewohnte Norden der Insel an der Reihe. Wir machen an einem unberührten Sandstrand Bekanntschaft mit einer riesigen, blauen Coconut Crab. Die Tiere sind die grössten Krabben der Welt und eigentlich nachtaktiv. Dieses wunderschöne Exemplar wollte uns wohl nur mal Hallo sagen. Fast zwei Stunden verbringen wir dann in der Warteschlange zum “legendärsten Soba-Restaurant der Insel”. Es befindet sich in einem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo – abgesehen von diesem Restaurant gibt es nichts zu sehen. Aber immerhin sind wir im Schatten und bei den Japaner ist das Anstehen ja immer sehr gesittet. Wir schreiben unseren Namen auf die Liste und warten im Schatten. Als wir dann aufgerufen werden, bestellt sich Aaron eine “large” Portion. Das Fleisch darin ist unglaublich fettig und hat eine sehr merkwürdige Konsistenz. Fein und nahrhaft ist es auf alle Fälle, gesund wohl weniger.
Am Leuchtturm an der Nordspitze wird in der Hitze selbst der Aufstieg von ein paar Metern zur Tortur. Aber die Aussicht aufs glasklare Riff und die langen Sandstrände ist fantastisch. Einer dieser Strände kundschaften wir dann aus. Das Coole ist, dass man auch mit dem kleinsten Chruzli Auto in die abgelegensten Ecken kommt. Es ist nun Ebbe und wir sehen viele Muscheln, die sich an den Felsen festklammern. Wir fahren noch zur Tamatorizaki Aussichtsplattform, welche eine phänomenale Aussicht auf das Riff und die Hügel bietet. Mittlerweile ist fast Sonnenuntergang, das Licht wunderschön und die Temperaturen erträglicher.
Ishigaki ist auch eine gute Basis um die anderen Inseln in der Nähe zu erkunden. Eigentlich befinden wir uns nämlich auf einer ganzen Inselgruppe. Wir machen einen Tagesausflug auf Taketomi – die nächstgelegene Insel. Mit dem Auto gehts zum Fährhafen in der Stadt, dann mit dem Speedboot weiter. Bereits vor 9 Uhr ist die Fähre übervoll mit japanischen Touristen und wir fragen uns, ob die Insel wohl etwas gar überlaufen ist. Wir setzen in einer Viertelstunde rüber und leihen uns zwei Fahrräder – wie immer in Japan ist alles top organisiert, die kurze Fahrt zwischen Fährhafen und Velovermietung gehört zum Service.. Das kleine Dorf ist herzig und im traditionellen Stil mit grossen Steinmauern gehalten. Überall blühen Blumen und Séverine strahlt über beide Ohren, als sie über die praktisch autofreien Strassen düst – das ist Inselfeeling! Am Pier und am Kodai Strand sind wir überwältigt von der Schönheit – das Wasser ist bis zum Horizont türkisblau und glasklar. Wir springen ins Wasser und geniessen die Zeit. Das Schöne hier ist ja auch, dass wir die Wertsachen einfach am Strand liegen lassen können, auch wenn kurzfristig einige Busladungen japanischer Touristen am Strand stehen. Wir sind jetzt wohl auf hunderten Ferienfotos verewigt. Velofahren in dieser Hitze mit der brütenden Sonne am Mittag ist anstrengend. Nach einem Abstecher am Sternenstrand müssen wir dann auch kurz in einem Cafe mit Klimaanlage abkühlen. Dann gibt es nochmals einen Schwumm am Traumstrand, bevor es wieder auf die Fähre, ins Auto und dann in den Hotelpool geht.
Wir haben einen letzten Tag auf der Insel und entscheiden uns, nochmals Schnorcheln zu gehen. Die Flut ist gerade am Mittag, jetzt brätelt es uns so richtig. Wir waren wohl noch nie an einem Ort, an dem die Sonne so unglaublich stark ist. Wie stehen wieder ganz viele Fische in allen Formen und Farben, aber keine anderen Unterwasserbewohner mehr. Wir geniessen den Rest des Tages mit feinen Smoothies und Bier. Das ist Babymoon!
Dazu gehört auch, auszuschlafen, bevor es wieder in die Grossstadt geht. Wir fliegen in drei Stunden nach Tokyo und haben den wohl entspanntesten Flug ever: Wir haben Plätze mit Extra Beinfreiheit ohne Aufpreis und niemanden neben uns. Als Aaron den Mount Fuji im Fenster auf der anderen Seite suchen geht, kommen die Flugbegleiterinnen gleich zur Hilfe, haben selber Freude und geben dann gleich über die Lautsprecher raus, dass man den Berg jetzt sehen könne. Irgendwie herzig, dieser Service in Japan.
Tokyo zum Zweiten / Fuji Five Lakes
Back to reality: Direkt von der Insel zurück in der Grossstadt. In eine der grössten Städte der Welt. Wir schlafen wieder in Shibuya, direkt beim Bahnhof und sind so schnell überall. Zur Sonnenuntergangszeit fahren wir in den 46. Stock im “Shibuya Sky” hoch. Das Aussichtsdeck ist heillos überlaufen, die Tickets mussten wir schon vor 3 Wochen reservieren. Aber die Aussicht auf die Stadt ist schon top – oder ist es nicht eigentlich eine Aneinanderreihung von Städten? Tokyo ist nicht eine einzelne Stadt, sondern eine Metropolregion mit ganz vielen Grossstädten nebeneinander, welche jeweils ein eigenes Zentrum haben. Jede der Städte unglaublich dicht und grösser als manch eine europäische Grossstadt. Wir blicken nun auf eine schier unendliche Stadtlandschaft mit Sonnenuntergang im Hintergrund. In dieser Stadt scheint alles möglich zu sein (und ist es wohl auch).
Diesen Mount Fuji wollen wir dann doch noch aus der Nähe sehen. Wie nehmen den 7 Uhr Zug in Richtung Westen, steigen einmal auf einen kleinen Zug um und erreichen die “Five Lakes” Region nach zwei Stunden. Für den Ausflug und die Tage in Tokyo haben wir uns den “Tokyo Wide Pass” gegönnt – eine Art GA für die Metropole. Wir sind ultra happy, der Vulkan zeigt sich an diesem Morgen ohne Wolkendach und in seiner ganzen Pracht. Wir steigen ein paar Hundert Treppenstufen zur Chureito Pagode hoch. Es ist noch nicht viel los, wir geniessen einfach die Stimmung mit dem alleinstehenden Vulkan im Hintergrund und der Pagode vor uns. Was für ein Motiv! Kein Wunder, wird der Berg so oft abgebildet und findet sich in jedem Japan-Prospekt. Der Ausflug hat sich schon gelohnt. Wir bleiben lange sitzen, erst als die ersten Tourgruppen eintreffen und der Gipfel sich langsam in Wolken einhüllt, gehen wir weiter nach Kawaguchiko. Nach einem starken Kaffee nehmen wir den Bus auf die andere Seite des nahegelegenen Sees. Auf die Gondelbahn verzichten wir, als wir die lange Schlange an Menschen sehen. Mittlerweile ist der Gipfel des Mt. Fuji in den Wilken und nicht mehr zu sehen. Wir spazieren durch die Blumengarten und Lavendelfeldern vor dem See und es wird langsam heiss und richtig busy. So entscheiden wir uns, schon am Mittag zurück nach Tokyo zu fahren. Wer weiss ob sich die Wolken nochmals verziehen. Gerne wären wir auf den Gipfel des Vulkans gestanden. Die Besteigung des Gipfels ist eine sehr einfache Wanderung, aber das lassen wir mit der Schwangerschaft auf Grund der Höhe von 3700 Meter besser sein.
An unseren letzten eineinhalb Tagen wollen wir keine Sehenswürdigkeiten mehr abklappern, sondern uns einfach noch etwas in Tokyo treiben lassen. Wir verbringen die Zeit mit Essen, Shoppen und durch die Strassen spazieren. Wir besuchen das Akihabara Viertel, wo sich alles um die japanische Popkultur und Elektronikartikel dreht. Die Shops sind oftmals bis zu achtstöckig und so verwinkelt, dass die Touren durch die Läden ein Abenteuer für sich sind. Es gibt auch noch old school PC Komponenten-Shops, welche bei uns längst ausgestorben sind und für Aaron wie eine Zeitreise sind. Ein Stockwerk nur Tastaturen, ein Stockwerk nur CPUs, und so weiter. Wir essen natürlich auch noch mal unsere Rahmen mit Extra-Portion Nudeln. Irgendwann ist aber Schluss und wir müssen uns auf den Weg zum Flughafen machen. Nach dreieinhalb Wochen in Japan besteigen wir den letzten Zug. Irgendwie sind wir auch wehmütig – das Land hat uns mit seinem ganz eigenen Mix aus Geschichte, abwechslungsreicher Natur, seinen freundlichen Menschen mit ganz eigener Kultur definitiv in den Bann gezogen!